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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ihm klar, welch armseliges Leben er bisher geführt hatte. Mit einem Mal begann er laut zu lachen. Howard schüttelte sich vor Lachen, das brennende Haus vor Augen, prustend und nach Luft ringend wälzte er sich im Sand. Sogar das Prasseln des Feuers wurde von seinem sardonischen Gelächter übertönt.
    Später konnte er sich nicht mehr erinnern, wie lange er in diesem kataleptischen Zustand zugebracht hatte. Aber irgendwann erkannte er im Feuerschein besorgte Gesichter. Vom Nilufer, aus Kurna und Dra abu el-Naga waren Menschen herbeigeeilt. Aber weil es auf eine halbe Meile kein Wasser gab, konnte niemand den Versuch unternehmen, das Feuer zu löschen.
    Nichts, aber auch gar nichts war übriggeblieben vom Inventar seines Hauses, und als er am folgenden Tag in der schwelenden Asche herumstocherte, kam es ihm vor, als wühle er in seiner Vergangenheit. Von seinem Koffer, der ihn seit zwanzig Jahren begleitet hatte, war nur noch ein jämmerliches Skelett vorhanden. Darin lag, kaum zu erkennen, ein geschmolzener Bilderrahmen. Von der Photographie, die einmal darin gesteckt hatte, war nichts mehr zu erkennen.
    Hamdi-Bey, der Polizeivorsteher von Luxor, kam mit zweien seiner Wächter, um die Brandursache zu erforschen; doch seine Ermittlungen beschränkten sich auf ein eher lustloses Herumstochern und die Erkenntnis, daß die Brandursache nicht aufzuklären sei. Nichts anderes hatte Howard erwartet. Im Gehen und so, daß es die beiden Wächter nicht hören konnten, meinte Hamdi-Bey: »Mr. Carter, wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Sie sollten weggehen von hier und Luxor verlassen. Sie haben zu viele Feinde.«
    Doch wie so oft liegen Glück und Unglück nahe beieinander. Lord Carnarvon erklärte sich bereit, für seinen Ausgräber ein neues Haus aus festen Ziegeln zu bauen. Als Standort schlug Howard eine Erhebung in Elwat el-Diban vor, unmittelbar am Eingang zum Tal der Könige gelegen. Bis zur Fertigstellung, die sich über Monate hinzog, kampierte er in einem Zelt in der Nähe der Baustelle, geplagt von nächtlichen Besuchern wie Wüstenmäusen, Ratten und Spinnen. Carter schlief stets mit einem Gewehr im Schlafsack, den Finger am Abzug.
    In einer dieser endlosen Nächte, in denen er von Alpträumen und wilden Phantasien verfolgt wurde, trat Howard vor sein Zelt, um den Tag zu erwarten. Da näherte sich vom Nil her ein flackerndes Licht. Carter brachte sein Gewehr in Anschlag. Das Licht kam geradewegs auf ihn zu.
    Als es nur noch hundert Schritte entfernt war, rief Howard: »Wer da?«
    Aus der Dunkelheit kam die Antwort: »Keine Angst, ich bin’s, Doktor Munthe!«
    Carter mißtraute dem Frieden. »Munthe? Was wollen Sie hier mitten in der Nacht?«
    »Mit Ihnen reden, Mr. Carter.«
    »Da haben Sie sich aber eine ungewöhnliche Zeit ausgesucht«, meinte Howard griesgrämig, als sie sich gegenüberstanden.
    Doktor Munthe, mit Schlapphut und Pellerine bekleidet, erwiderte selbstsicher: »Aber Mr. Carter, Sie sind doch als Frühaufsteher bekannt, und was mich betrifft, ich schlafe nicht mehr als drei Stunden. Schlaf ist vergeudete Zeit. Und man muß uns ja nicht unbedingt zusammen sehen. Ich glaube, es war Ihnen unangenehm und zugegebenermaßen nicht sehr geschickt von mir, als ich Sie auf dem Abschiedsfest wegen einer Sphinx ansprach.«
    »Da haben Sie wohl recht, Doktor Munthe. Waren Sie denn schon erfolgreich?«
    Munthe setzte seine Laterne ab und schüttelte den Kopf: »Leider nein, aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Man hat mich zuletzt zu einem gewissen Mr. Spink geschickt, einem verschlagenen, hinkenden Engländer, der alles zu verkaufen hatte, nur keine Sphinx. Er bot mir frische Mumien an und einen alten Goldbecher. Aber ich kann mir doch keine Mumie auf die Terrasse stellen!«
    Auf einmal wurde Carter hellhörig. »Sagten Sie einen Goldbecher?«
    Munthe winkte ab. »Er soll aus dem Grabschatz eines unbekannten Pharaos stammen, und Spink verlangt tausend englische Pfund.«
    Wortlos ging Carter in sein Zelt. Von innen rief er: »Sie trinken doch einen Tee mit mir, Doktor Munthe?«
    »Sehr gerne.« Während Carter in seinem Zelt mit der Teezubereitung beschäftigt war, sagte Munthe: »Ich hätte nicht den Mut gehabt, Sie aufzusuchen, aber ein junger Ägypter, dem ich in Luxor begegnete, meinte, der einzige, der mir weiterhelfen könnte, sei Mr. Carter. Ich solle Sie grüßen von Sayyed.«
    Howard trat vor das Zelt und servierte den Tee auf einem wackeligen Klapptisch. Als Stühle dienten zwei Kisten.

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