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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Schell. Sie bot einen erbärmlichen Anblick. Die sonst so gepuderte, gepflegte Erscheinung hatte sich in ein abstoßend häßliches Wesen verwandelt. Ihre Augen lagen so tief, daß man fürchten mußte, sie würden ganz in dem kantigen, faltigen Schädel verschwinden. In wirren Strähnen hingen ihre Haare, die sie sonst streng scheitelte und am Hinterkopf in einen Knoten band. Sogar ihre sonst so damenhafte Kleidung wirkte unordentlich und abgerissen. Was Sarah jedoch Furcht einflößte, war die Pistole, welche Gertrude von Schell in der Rechten schwenkte.
    »Miss Jones!« wiederholte die Baronin tonlos. »Ich habe Angst.« Bei diesen Worten zitterten ihre Lippen wie im Fieber.
    Wäre sie nicht selbst von Unruhe und Bangen erfaßt gewesen, Sarah hätte sogar Schadenfreude empfunden ob der Angst, die Mrs. von Schell ins Gesicht geschrieben stand. So aber ließ sie die Pistole in der Hand der Baronin nicht aus den Augen, und sie wich einen Schritt zur Seite, als diese ihr die Waffe vor die Augen hielt.
    »Die Waffe stammt noch von Baron von Schell. Sie ist geladen. Hier, nehmen Sie. Ich kann damit nicht umgehen.«
    Instinktiv und nur um der zitternden Baronin die gefährliche Waffe aus der Hand zu nehmen, griff Sarah nach der Pistole. Entsetzt rief sie: »Und was soll ich damit?«
    »Schießen!« Wie ein Hilferuf gellte der Schrei der Baronin durch das Treppenhaus. »Der Mob wird Sie und mich umbringen. So tun Sie doch etwas, Miss Jones!«
    In ihrer Angst schien Gertrude von Schell jeden Sinn für die Realität verloren zu haben. Und Sarahs Tatenlosigkeit steigerte ihre Hysterie noch mehr. Irgendwo barst eine Fensterscheibe, kurz darauf eine zweite. Wie von Sinnen hetzte die Baronin in die im ersten Stockwerk gelegene Besenkammer. Mit einem halben Dutzend Schrubbern und Besen unter dem Arm stolperte sie nach unten zum Eingang und begann hektisch, die Stiele in der Türöffnung und unter der Klinke einzuspreizen. Atemlos jagte sie wieder nach oben, wobei sie Sarah einen wirren Blick zuwarf. Sarah hörte noch, wie die Türe zum Zimmer der Baronin ins Schloß fiel und der Schlüssel zweimal umgedreht wurde.
    Wie sollte sie sich verhalten? Angesichts der tobenden Menge vor dem Schulhaus schien es ratsam, sich dem Geschehen nicht einfach auszuliefern, nicht einfach abzuwarten, bis die Menge das Haus stürmte. In ihrer Wut würden die aufgebrachten Menschen auch sie nicht verschonen.
    Und so kam ihr ein Gedanke. In Sekunden faßte Sarah den Entschluß, vor das Haus zu treten und zu den Bewohnern von Swaffham zu sprechen. Sie mußte nur die richtigen Worte finden und glaubhaft machen, daß niemandem geholfen sei, wenn sie die alte Baronin lynchten, daß Unrecht nicht mit Unrecht vergolten werden könne und daß es besser sei, Gertrude von Schell vor ein Gericht zu stellen.
    Sarah hielt noch immer die Pistole in der Hand, und während sie die scharfe Waffe betrachtete, kamen ihr Zweifel, ob sie den Mut aufbringen würde, das Eingangstor zu öffnen und vor die aufgebrachte Menge zu treten. Da geschah etwas Seltsames.
    Wie von Geisterhand dirigiert, kamen die Mörderrufe zum Schweigen. In Minutenschnelle verebbte der Tumult und wich einem unerklärbaren Tuscheln und Raunen. Dann der inbrünstige Ruf einer alten Frau: »Ein Wunder!«
    Sarah Jones fand keine Erklärung für das unheimliche Geschehen. Und als sich die ersten abwandten und in Richtung St. Peter und Paul drängten, als es schien, als wären Wut und Rachegefühle aus den Herzen der Leute verschwunden, da ließ Sarah die Pistole in ihrer Rocktasche verschwinden, sie lief nach unten, entfernte die Barrikaden, welche die Baronin angebracht hatte, und öffnete das Tor.
    Das, was noch vor wenigen Minuten das Ziel von Haß und Mordlust gewesen war, schien nun niemanden mehr zu interessieren, jedenfalls trat Sarah mitten unter das Volk, ohne daß jemand Notiz davon nahm. Schließlich faßte sie sich ein Herz und erkundigte sich bei einem Mann, den sie vom Sehen her kannte, was geschehen sei.
    »Ein Wunder!« sagte der, ohne Sarah Jones zu beachten. »Das tote Mädchen lebt. Es hat im Sarg die Augen aufgeschlagen. Ein Wunder.«
    Die Mitteilung machte Sarah sprachlos. Hatte sie doch mit eigenen Augen das Mädchen tot auf dem Pflaster liegen sehen. Das Blut, das in Rinnsalen aus Mund und Nase floß und eine dunkle Lache bildete – diesen grauenvollen Anblick würde sie ein Leben lang nicht vergessen können.
    Um sich von dem Wunder selbst zu überzeugen, mischte sich Sarah

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