Der König von Luxor
bekannt.«
»Carter ist mein Name, Howard Carter.«
»Für mich heißen Sie Hercule Poirot. Sie haben so etwas Französisches an sich. Ihr dunkles Haar, der Schnauzbart, ja, für mich sind Sie Hercule Poirot. Ich werde einen Ägypten-Roman schreiben, irgendwann einmal. Und ein Mann von Ihrem Aussehen wird dabei eine Rolle spielen. Nett, sie kennengelernt zu haben…«
Howard trug seine Trauer, die Carnarvons Brief verursacht hatte, ins Tal der Könige. Wo hätte er sie auch anders hintragen sollen? Er war unschlüssig, ob er das neuerliche Angebot Seiner Lordschaft überhaupt annehmen sollte, ob er den Scheck nicht zurückschicken sollte mit der Bemerkung: Danke, ich nehme kein Schmerzensgeld.
Unbemerkt hatte sich Bastet an Carters Fersen geheftet, und als er die Katze sah, war es zu spät, sie zurückzuschicken. Wie selbstverständlich trottete sie neben Howard her, und als der sich an der Wegspinne, wo fünf ausgetretene Pfade aufeinandertrafen, auf einem Stein niederließ, setzte Bastet sich daneben.
Die Leidenschaft zu Evelyn hatte ihn so plötzlich und mit der Wucht eines Gewitters erfaßt, daß Howard zu keinem klaren Gedanken fähig war. Daß er viel älter war als sie und im Vergleich zu ihr ein Habenichts und Emporkömmling, war ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Liebe fragt nicht nach Alter und Abstammung. Und doch hatte ihn mit einem Mal seine armselige Vergangenheit eingeholt.
Howard starrte unschlüssig in den Sand. Das einzige, was ihm geblieben war, war sein Stolz. Und deshalb faßte er den Plan, den Scheck, den ihm Carnarvon generös überlassen hatte, mit einer passenden Bemerkung zurückzuschicken.
Kaum hatte sich Carter zu diesem Entschluß durchgerungen, kaum hatte er sich von dem Gedanken gelöst, den vergessenen Pharao entdecken zu müssen, da fiel sein Blick auf Bastet, die einen Steinwurf entfernt im sandigen Boden scharrte, als wollte sie, wie bei Katzen üblich, ihr Geschäft verrichten. Als aber Bastet kein Ende fand, als sie mit Vorder- und Hinterpfoten zugleich ein Loch in den Boden grub und auch durch Zurufe nicht davon abgehalten werden konnte, erhob sich Carter, um an der Stelle nach dem Rechten zu sehen.
»Willst du etwa nach dem Pharao graben?« rief Howard eher belustigt und scheuchte die große weiße Katze aus ihrem Loch. Aber die ließ sich nicht beirren und setzte ihr Kratzen fort, bis Carter hinzutrat und sie mit beiden Händen aus der Erdmulde entfernte. Dabei fiel sein Blick auf ein blinkendes Etwas, das Bastet aus dem Boden gescharrt hatte, ein verbeultes Plättchen, kaum so groß wie eine Streichholzschachtel und hauchdünn. Das Plättchen glitzerte wie Gold, aber was bei Carter noch mehr Interesse fand, waren die Schriftzeichen, die sich darauf befanden.
Behutsam versuchte er, das dünne Blech, denn um nichts anderes handelte es sich, zu glätten, da sprang ihm ein Königsname ins Auge, drei unscheinbare Hieroglyphen übereinander, ein Sonnenkreis, ein Skarabäus und ein Halbkreis mit drei senkrechten Strichen darüber.
»Neb-cheperu-Re«, sagte Carter andächtig, »der Königsname des vergessenen Pharaos.«
Wie von Sinnen begann Howard, mit bloßen Händen in der Mulde zu graben. »Neb-cheperu-Re«, stammelte er immer wieder, »Herr der Verwandlungen ist Re.« Sein Atem ging schwer, die Finger schmerzten, als er bereits ein armtiefes Loch gegraben hatte. »Neb-cheperu-Re!«
War dies ein Zeichen der Götter? Atemlos nahm Carter das Plättchen zur Hand. Jahrtausendealte Knickfalten bildeten ein verwirrendes Netzwerk und machten die Entschlüsselung weiterer Schriftzeichen beinahe unmöglich. Doch ein Zeichen fiel Howard ins Auge: das Siegelzeichen der Totenstadt. Die Priester im Tal der Könige brachten es an, wenn sie einen Pharao bestattet hatten!
Howard fühlte, wie ihn ein lautloser Sturmwind erfaßte, in der Luft herumwirbelte und zurück in das Erdloch preßte. Ganz nah, fühlte er, war er dem vergessenen Pharao. Er, Howard Carter aus Swaffham in Norfolk.
Howard wußte selbst nicht zu sagen, wie lange er ohne Werkzeug, nur mit den Händen gegraben hatte, als er endlich zur Besinnung kam. Du bist verrückt, sagte er zu sich, du bist vollkommen übergeschnappt. Dann sah er sich nach der Katze um.
»Bastet?« rief er unsicher. »Bastet, wo bist du?«
Das Tier konnte sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. So weit er auch blickte, Carter sah von Bastet keine Spur. Auch zu Hause traf er die Katze nicht an, und obwohl die Türe nachts
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