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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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nach Ägypten zu reisen, so waren all ihre Pläne nach wenigen Wochen der Ernüchterung gewichen und der Erkenntnis, daß dieses Abenteuer wohl kaum der Grundstock einer dauerhaften Beziehung sein könnte.
    Zudem ergab es sich – natürlich nicht zufällig –, daß der junge Lord Beauchamp gerade in diesen einsamen Tagen mehrmals vorstellig wurde und Evelyn zu einer Spazierfahrt in die Umgebung von Newbury einlud. Sir Brograve Campbell Beauchamp, so sein voller Name, war Automobilist, er verfügte über einen Rolls-Royce-Ballooncar, ein zweisitziges, auch bei voller Fahrt nur lispelndes Gefährt, auf dessen Hinterteil er Hülle und Korb eines Heißluftballons verstaute, mit dem er sich in die Lüfte erhob. Evelyn lehnte soviel Übermut ab.
    Lord Beauchamp gab sich alle Mühe, die Carnarvon-Tochter für sich einzunehmen. Er sah gut aus, hatte schöne Hände, auch seine Manieren konnten sich sehen lassen. Daß er äußerst wohlhabend und sein Vater Vorstand von Lloyds und Abgeordneter der Liberalen im Unterhaus war, spielte bei Eves Beurteilung eine untergeordnete Rolle, wenngleich das Leben, das er ihr versprach, darunter gewiß nicht zu leiden hatte.
    So kam es, daß Evelyn sechs Wochen nach ihrer Rückkehr aus Ägypten, den Brief auf rosa Papier, den sie mit den Worten begonnen hatte: »Howard, mein Geliebter!«, den sie aber nie zu Ende gebracht hatte, daß sie diesen Brief unter Tränen zerriß und vom Fenster ihres Zimmers im zweiten Stock von Highclere Castle flattern ließ, wo sich die Papierfetzen unter die ersten welken Herbstblätter mischten wie ein letzter Frühlingsgruß.
    Drei Wochen später wurde in Highclere Castle folgende Verlautbarung veröffentlicht: George Edward Stanhope Molyneux Herbert, 5. Earl of Carnarvon, und seine Frau Lady Almina geben die Verlobung ihrer Tochter Lady Evelyn Herbert mit Sir Brograve Campbell Beauchamp, Sohn von Sir Edward Beauchamp und seiner Frau Lady Betty Campbell Beauchamp bekannt.
    Am selben Tag wurden dreihundert Verlobungsanzeigen verschickt – eine adressiert an Mr. Howard Carter, postlagernd Luxor.
     
     
    Ein Gewitter nie gekannten Ausmaßes zog am Tag der Verlobungsfeier über Highclere Castle hinweg. Der Himmel verfinsterte sich dunkelgrau, beinahe schwarz, und Regen prasselte vom Himmel, als kündigte sich eine Sintflut an. Die Dienerschaft hatte alle Mühe, Stühle, Tische und das kostbare Geschirr, das für die Feier im Park des Schlosses bereitstand, in Sicherheit zu bringen.
    Ladys und Lordschaften, alles, was Rang und Namen hatte in der englischen Society, gaben sich ein Stelldichein. Festlich beleuchtet war die große Halle von Highclere Castle. Die Damen trugen lange, bunte Kleider, die Herren Cut, der Tageszeit angemessen. In der Luft lag ein betörender Duft von Blumen, die mit schriftlichen Glückwünschen angeliefert wurden. Was die musikalische Umrahmung der Festlichkeit betraf, hatte sich Evelyn gegenüber Sir Brograve durchgesetzt. Anstelle des vorgesehenen Streichquintetts spielte ein achtköpfiges Saxophonorchester auf. Passend zur Musik, die nicht ungeteilten Gefallen fand, was von Evelyn jedoch durchaus beabsichtigt war, trug diese ein enganliegendes, knöchellanges Kleid aus weißem Organza mit einem aus Pailletten bestickten, gelben Kanarienvogel auf dem Dekolleté, das über dem Knie gerafft war wie ein Theatervorhang. Ein Stirnband in derselben Farbe diente als Halterung für eine blaugrüne Pfauenfeder an der linken Schläfe.
    Man kann nicht sagen, daß Lady Evelyn einen äußerst glücklichen Eindruck machte, aber in der allgemeinen Hochstimmung, die nur durch den Austausch von Höflichkeitsfloskeln und die Erörterung der schlechten Zeiten unterbrochen wurde, fiel das nicht weiter auf. Augenfällig war eher die strahlende Laune Lord Carnarvons, der, seit ihn Gicht und Arthrose plagten, viel von seiner früheren Unbeschwertheit verloren hatte und der sich mit der standesgemäßen Verlobung seiner Tochter am Ziel seiner Wünsche sah. Launig wie in jungen Jahren hielt Lord Carnarvon eine Rede, in der er mit einem Augenzwinkern sein schweres Los als Vater beklagte, der seiner Tochter nichts, aber auch gar nichts abschlagen könne, und auf Evelyns kleinen Wuchs hinwies, hinter dem sich, wie Napoleon zeigte, die eigenwilligsten Charaktere verbergen.
    Mit dem Öffnen der Telegramme beschäftigt, die ein Bote in einem Korb angeliefert hatte, stieß Evelyn auf einen Umschlag, der nicht an sie oder an Sir Brograve gerichtet war, sondern an

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