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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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wird uns begleiten, nicht wahr, Brograve?«
    Trotz ihrer Aufregung war Evelyn nicht entgangen, wie ihre Mutter zusammenzuckte, als sie Carters Namen erwähnte. Nun blieb sie stumm und sah Carnarvon fordernd an, als erwartete sie seinen Einspruch. Aber Carnarvon schwieg.
    Schließlich meinte Beauchamp durchaus ehrlich: »Ich möchte lieber nicht mit dir reisen. Eve, ich hoffe, du verstehst mich. Es schickt sich nicht, daß Verlobte gemeinsam eine so weite Reise antreten. Jedenfalls widerspricht es den Moralvorstellungen meiner Familie. Ich halte es für besser, wenn du allein mit deinen Eltern nach Ägypten fährst.«
    »Auch ich werde dich nicht begleiten«, sagte Lady Almina in der Hoffnung, ihre Tochter von der Reise abhalten zu können. Aber Evelyn beharrte darauf, mit Lord Carnarvon zu reisen, ja sie fieberte dem Augenblick entgegen, Carters Entdeckung zu sehen.
    Lord Carnarvon rief seinen Sekretär herbei und gab ihm den Auftrag, folgendes Telegramm zu besorgen: »An Mr. Howard Carter, Luxor. Komme mit Evelyn so bald wie möglich. Carnarvon.«

 
     
     
    D RITTES B UCH

K APITEL 27
     
     
     
    Nach einer stürmischen Überfahrt von Marseille nach Alexandria und einer nicht weniger anstrengenden Bahnreise nilaufwärts trafen Lord Carnarvon und seine Tochter Evelyn am Sonntag, dem 26. November 1922, im Tal der Könige ein. Achtzehn Tage waren seit Eves Verlobung und dem Eintreffen von Carters Telegramm vergangen. Anders als in Highclere, wo um diese Zeit feuchte Nebel die Tage verhüllten, war es in Luxor angenehm mild wie im englischen Frühling.
    Eine merkwürdige Spannung lag in der Luft. Längst hatte sich Carters Entdeckung herumgesprochen. Es war lange her, seit im Tal der Könige ein größerer Fund gemacht worden war, und wenn es überhaupt jemanden gab, dem man so etwas zutraute, dann war es Howard Carter, dieser spleenige Engländer, der einsam am Rande der Wüste lebte wie ein koptischer Mönch und mit den Steinen redete – jedenfalls behaupteten das jene, die ihm schon einmal begegnet waren.
    Doch der Carter, auf welchen Carnarvon und seiner Tochter Evelyn nun trafen, schien ein anderer als der, den sie kannten. Das Unterwürfige, Demütige und Fügsame, das sonst seinen Charakter auszeichnete, war einem deutlich zur Schau getragenen Selbstbewußtsein, einer gewissen Unbeugsamkeit, ja sogar Arroganz gewichen, die keiner an Howard je erlebt hatte.
    In Erwartung der bevorstehenden Ereignisse hatte Howard einen Assistenten engagiert, der seit Jahren für den Egypt Exploration Fund arbeitete. Er hieß Arthur Callender, wurde aus unerfindlichen Gründen »Pecky« genannt und hatte die Statur eines Kleiderschranks aus der Zeit Queen Annes. Und wie allen Riesen war ihm ein phlegmatischer Charakter zu eigen, die ideale Voraussetzung im Umgang mit Grabungsarbeitern. Denn Carter selbst gab sich nicht mehr mit Arbeitern ab. Er trug einen blütenweißen Anzug, dazu Fliege am gestärkten Kragen und seinen breitkrempigen Panamahut. Wie Naville vor dem Krieg saß nun Carter unter einem Sonnenschirm und gab seine Kommandos.
    Als Lord Carnarvon und Evelyn auf ihn zutraten, erhob er sich zwar, weigerte sich jedoch, aus dem Schatten seines Sonnenschirmes zu treten. Die Begrüßung Seiner Lordschaft fiel in Anbetracht der Ereignisse ungewöhnlich knapp aus, dann wandte er sich Evelyn zu: »Ich beglückwünsche dich zu deiner Verlobung, Eve. Leider hatte ich so viel Arbeit, daß ich keine Zeit fand, dir schriftlich zu gratulieren.«
    Unüberhörbar war die Bitterkeit in Carters Worten. Was Evelyn jedoch noch mehr verblüffte, war die Tatsache, daß Howard von ihrer Verlobung überhaupt wußte. »Vielen Dank, ich danke dir herzlich«, erwiderte sie stockend, dann sah sie ihren Vater fragend an.
    Carter deutete ihren Blick durchaus richtig und bemerkte: »Dein Vater ließ mir die Ehre zuteil werden und übersandte mir eine Verlobungsanzeige, gleichsam, damit ich Bescheid weiß. So ist es doch, Mylord?«
    »Papa!« rief Evelyn wütend. »Papa, du hättest es ruhig mir überlassen können, Howard von der Verlobung in Kenntnis zu setzen!«
    Carnarvon machte einen verunsicherten Eindruck. Die Angelegenheit war ihm peinlich. Doch dann entgegnete er in seiner herrischen Art: »Mein Kind, es ist Sache des Vaters, die Verlobung seiner Tochter bekanntzugeben. Und bei den Carnarvons wird Wert auf Anstand und Schicklichkeit gelegt. Das solltest du eigentlich wissen.«
    Während der Lord vorsichtig, als könnte er etwas zerstören,

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