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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Lord Carnarvon. Absender: Eastern Telegraph, Luxor, Egypt.
    »Papa! Für dich!« rief Evelyn und schwenkte den Umschlag über ihren Kopf.
    Carnarvon löste sich aus einer Unterhaltung und kam seiner Tochter entgegen. »Nun, bist du glücklich, mein Kleines?« fragte er und nahm das Telegramm entgegen.
    Evelyn antwortete nicht. Statt dessen fragte sie: »Etwas Wichtiges, Papa?«
    Lord Carnarvon verzog sein Gesicht. »Scheint so«, bemerkte er und blickte an Evelyn vorbei auf einen imaginären Punkt in der Halle. Dann reichte er das Telegramm seiner Tochter, die ihn immer noch fragend ansah.
    Evelyn las, während sie stumm die Lippen bewegte: »Endlich im Tal der Könige wundervolle Entdeckung gemacht + stop + großartiges Grab mit unversehrten Siegeln aufgefunden + stop + bis zu Ihrer Ankunft alles wieder zugeschüttet + stop + Glückwunsch + stop + Carter.«
    Sie hatte kaum geendet, als ein Blitz die Halle in giftig-grünes Licht tauchte. Im selben Augenblick krachte ein Donnerschlag durch das Gebäude, daß die alten Mauern erbebten. Das elektrische Licht flackerte wie ein Kerzenleuchter bei Zugluft. Evelyn preßte das Telegramm an ihre Brust. Hilfesuchend wandte sie sich ihrem Vater zu. »Papa!« rief sie ängstlich.
    Der war selbst zu Tode erschrocken, und verwirrt riß er seiner Tochter das Telegramm aus der Hand. »Ich hätte es dir nicht zeigen dürfen«, stammelte er, sichtlich durcheinander. Die Damen, die sich in ihrer Angst in die Arme ihrer Begleiter geflüchtet hatten, ließen von ihren Beschützern ab. Der Blumenduft in der Halle wurde augenblicklich von einem ätzenden Gestank verdrängt, einer Mischung aus trockenem Teer und Schwefel. Und während zwei ältere Ladys aus dem Breckland, von denen niemand zu sagen wußte, wie, warum oder auf wessen Empfehlung sie hierher gelangt waren, in hysterisches Gelächter ausbrachen, das auch unter den mißbilligenden Blicken der übrigen Gesellschaft kein Ende fand, während einige Lords, hinter deren wuchtiger Statur man einen gewissen Heldenmut vermutet hätte, ins Freie stürzten und sich im Laufschritt bekreuzigten, fand Carnarvon die Fassung wieder, erklomm, die Kostbarkeit des Regency-Möbels mißachtend, einen Stuhl und rief: »Ladys and Lords, keine Panik! Dieser Blitzschlag ist ein Zeichen der Götter, die der Verbindung meiner Tochter Eve mit Lord Beauchamp ihren Segen erteilen. Einen Toast auf das junge Paar!«
    Der Blitz hatte in Highclere Castle eingeschlagen, aber wie durch ein Wunder keinen Schaden angerichtet. Nur mit Mühe gelang es Lord Carnarvon in seiner witzigen Art, die Verlobungsgäste zu überzeugen, daß weder ein Gast noch ein Teil von Highclere Castle in Mitleidenschaft gezogen worden war, und das Fest nahm seinen Lauf.
    »Was willst du tun?« rief Evelyn ihrem Vater zu, der noch immer das Telegramm in den Händen hielt. Sie mußte gegen das Saxophon-Orchester ankämpfen, welches, um die Stimmung zu retten, nun mit doppelter Lautstärke spielte.
    »Ich muß sofort nach Ägypten reisen!« Carnarvon war blaß wie ein Leintuch, und Evelyn versuchte die Ursache im Gesicht ihres Vaters zu ergründen: Hatte ihn der Blitzschlag so erschreckt oder war es die Aufregung um Carters angebliche Entdeckung?
    »Ich werde dich begleiten«, erwiderte Evelyn, und dabei konnte sie ihre Aufregung kaum verbergen.
    Der Lord hob abwehrend beide Hände: »Kommt nicht in Frage, mein Kind. Das ist doch nur ein Vorwand, um Carter zu treffen. Du bist jetzt mit Lord Beauchamp verlobt und hast auf deinen Ruf zu achten. Bitte vergiß das nicht!«
    Das aber ließ Evelyn nicht gelten: »Beauchamp kann uns begleiten! Im übrigen redest du seit fünfzehn Jahren von nichts anderem als von diesem vergessenen Pharao, und nun, da Carter ihn vielleicht gefunden hat, soll ich zu Hause bleiben und auf dich warten? Papa, das kannst du mir nicht antun. Ich bin deinem Wunsch nachgekommen und habe mich mit Beauchamp verlobt. Jetzt kannst du mir meinen Wunsch nicht abschlagen.«
    Inzwischen hatte das laute Gespräch zwischen Carnarvon und seiner Tochter Aufmerksamkeit erregt. Lady Almina und der junge Beauchamp, der an seiner künftigen Schwiegermutter zunehmend Gefallen fand, traten hinzu, und die Lady fragte spöttisch: »Dürfen wir vielleicht auch erfahren, um was es hier geht?«
    »Ein Telegramm aus Luxor«, kam Evelyn ihrem Vater zuvor, »Mr. Carter glaubt das Grab gefunden zu haben, nach dem er seit fünfzehn Jahren sucht. Wir müssen umgehend nach Ägypten reisen! Brograve

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