Der König von Luxor
Felsbrocken und Sand bedeckt. Es roch nach Staub und toten Insekten. Nach wenigen Schritten reichte der Schutt beinahe bis zur Decke des Ganges und verhinderte jedes weitere Durchkommen. Hustend und spuckend gab Carter ein Handzeichen zur Umkehr.
Als sie wieder frische Luft atmeten, meinte Carter an Carnarvon und Evelyn gewandt: »Das ist noch ein gutes Stück Arbeit. Vor morgen nachmittag besteht kaum Aussicht, den Schuttberg zu beseitigen, und wer weiß, wie weit der Stollen in die Tiefe führt. Ich werde einen Boten nach Luxor schicken, sobald das Hindernis beseitigt ist. Und jetzt entschuldigen Sie mich.«
Howard nahm wieder unter seinem Sonnenschirm Platz und gab geschäftig Anweisungen. Gegen Abend war der Schuttberg im Stollen zur Hälfte abgetragen, und Callender stellte Wachen auf, sechs bewaffnete Männer unter seiner Leitung.
Auf Sir Henrys Rücken kehrte Carter in sein Haus zurück. Er sah schon von weitem, daß er erwartet wurde.
»Spink?« rief Howard, als er seinen Widersacher in der Dunkelheit erkannte. »Verdammt, was suchst du hier? Verschwinde, sonst knalle ich dich nieder!« Mit einer schnellen Bewegung zog Carter seinen Revolver.
»Mach keinen Quatsch, Carter«, entgegnete Spink und trat Howard furchtlos entgegen.
Carter streckte den Arm aus und richtete den Lauf seiner Waffe genau auf Spinks Kopf. »Ich sagte, du sollst dich aus dem Staub machen, Spink. Ich zähle bis drei…«
»Nun hör mich doch an, Carter. Ich bin gekommen, um dir ein Geschäft vorzuschlagen. Du kannst viel Geld verdienen, sehr viel Geld, Carter!«
»Mit Gaunern mache ich keine Geschäfte. Ich brauche dein Geld nicht.«
»Jeder braucht Geld, Carter. Du ebenso wie ich. Die Zeiten sind nicht gerade die besten. Mein Geschäft geht schleppend, um nicht zu sagen miserabel, und seit Mustafa Aga Ayat tot ist, kann man nicht einmal mit Ausgrabungen etwas dazuverdienen. Der Markt ist leergefegt. Dabei gibt es genug reiche Amerikaner, die mit Tausenden von Dollars winken. Ich verfüge über die besten Kontakte.«
Howard ließ seine Waffe sinken. »Und warum sagst du mir das? Du wirst mir doch nicht erzählen wollen, daß du an der Armutsgrenze lebst. Deinem Vater gehört die größte Dampfmaschinenfabrik in Norfolk, und du jammerst hier von schlechten Zeiten.«
Eine Weile schwieg Spink vor sich hin, und Howard gewann den Eindruck, als kämpfte er mit sich, ob er weiterreden sollte, dann, nach langem Zögern, erwiderte er: »Mein Vater hat mich enterbt.«
»Warum das denn?« Carter lachte laut, und dabei konnte er seine Schadenfreude nicht verhehlen. »Spink ist enterbt! Oh, wie ich dich bedauere, du mieser armer Mensch.«
Spink räusperte sich verlegen. »Du bist an meiner Situation nicht ganz unschuldig, Carter!«
»Iiiich?« Howards Ruf hallte durch die Nacht.
»Mit deiner Hilfe gelang es Elizabeth, nach England zurückzukehren.«
»Was hat Elizabeth damit zu tun? Spink, du redest dummes Zeug!«
»Keineswegs. Elizabeth hat in England die Scheidung durchgesetzt. Und dazu nahm sie Verbindung mit meinem Vater auf. Wie es scheint, waren sich beide in meiner Beurteilung einig. Sehr einig. So einig sogar, daß sie inzwischen geheiratet haben. Elizabeth ist ein Flittchen. Da kam ihr ein wohlhabender Witwer ganz gelegen.«
Carter brauchte ein paar Sekunden, bis er Spinks Geständnis verarbeitet hatte. Dann brach er in ein nicht enden wollendes Gelächter aus. »Der alte Spink«, rief er immer wieder, »ha, ha, heiratet seine Ex-Schwiegertochter, ha, ha, und der Sohn wird enterbt.« Er klatschte in die Hände. »Seit dem heutigen Tag glaube ich, daß das Schicksal seine Gaben doch mit einer gewissen Gerechtigkeit verteilt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann jeder drankommt.«
Spink lachte bitter.
»Und was willst du von mir?« erkundigte sich Howard, nachdem er sich halbwegs beruhigt hatte.
»Mir wurde berichtet, daß du ein versiegeltes Pharaonengrab entdeckt hast. Carter, das ist die Chance deines Lebens. Du kannst von heute auf morgen so reich sein, daß Carnarvon für dich graben muß. Bis heute weiß kein Mensch, welche Schätze sich wirklich in dem Grab befinden. Wenn du dir heimlich die kostbarsten Dinge nimmst und das Grab wieder zumauerst, bevor eine offizielle Öffnung stattfindet, wird dich niemand anklagen. Niemand außer uns beiden soll je erfahren, wo die Schätze herkommen. Ich habe alles vorbereitet. Du brauchst dich um nichts zu kümmern. Sag ja, und du bist ein reicher Mann.«
Howard lachte hämisch:
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