Der König von Luxor
hat!«
Howard hob die Schultern und grinste.
Auf der anderen Seite des Flusses begab sich Lord Carnarvon auf direktem Weg zum Post- und Telegraphenamt, das nicht weit hinter dem Luxor-Tempel gelegen war. Er hatte es eilig.
Von außen glich das Amt einem Gefängnis, während die Innenausstattung Ähnlichkeit mit den Mönchszellen eines mittelalterlichen Klosters hatte. Hinter vergitterten Schaltern tauchten im Zwielicht die mürrischen Gesichter zweier von einem kargen Gehalt verbitterter Beamter auf. Wie auf ein Kommando verschwanden sie im selben Augenblick, als der Lord in englischer Sprache – Carnarvon hatte noch immer kein Wort Arabisch gelernt – ein Blitzgespräch nach Kairo forderte.
Nicht zu unrecht standen die Beamten des Post- und Telegraphenamtes in Luxor der Erfindung des Fernsprechers skeptisch gegenüber, sie hielten sie schlicht für Teufelswerk, aber ein Telephongespräch in Verbindung mit einem Blitz des Himmels zu bringen, erschien ihnen sogar angsteinflößend und eine Gotteslästerung, so daß der Leiter der Behörde geholt werden mußte, um dem Ansinnen des Engländers nachzukommen.
Der Post- und Telegraphenamtsleiter, ein gewisser Ali Mansour, entschuldigte sich heftig für die Dummheit seiner Angestellten und versprach, die gewünschte Verbindung auf schnellstem Wege zustande zu bringen. Seine Lordschaft möge sich in die Fernsprechkabine begeben.
Zehn Minuten harrte Carnarvon, den Blick auf einen schwarzen Fernsprecher gerichtet, in einem stinkenden Mobiliar aus, das äußerlich einem katholischen Beichtstuhl glich, im übrigen aber einer heruntergekommenen Eisenbahntoilette ohne die bekannte Installation, als der Wandapparat einen jaulenden Klingelton von sich gab.
Carnarvon hob ab.
Am anderen Ende meldete sich Arthur Merton, der Kairoer Korrespondent der Londoner Times.
»Merton?« brüllte Carnarvon in den Sprechtrichter, der aus einem Holzkasten an der Wand herausragte, »Merton, sind Sie’s? Hier spricht Carnarvon aus Luxor!«
»Mylord, was verschafft mir die Ehre?« brüllte Merton in gleicher Lautstärke zurück.
Carnarvon: »Eine Sensation, Merton, was sage ich, eine Weltsensation!«
Merton: »Lassen Sie mich raten, Mylord, Sie haben im Tal der Könige das Grab dieses unbekannten Pharaos entdeckt! Wie war gleich sein Name?«
»Tut-ench-Amun!«
»Das ist nicht wahr!«
»Doch, Merton, es ist wahr!«
»Gratuliere, Mylord. Wer weiß bisher davon? Haben Sie die Meldung schon an die Lokalpresse gegeben?«
»Nein, Merton. Deshalb rufe ich Sie an. Die Entdeckung ist eine rein englische Angelegenheit, und deshalb soll sie auch in der Londoner Times bekanntgemacht werden.«
»Das ist sehr großzügig von Ihnen, Mylord. Sie wissen, die Konkurrenz ist groß, und die Konkurrenz schläft nicht!«
»Ich weiß, Merton, ich weiß. Ich nehme doch wohl an, daß die Times die Exklusivrechte an dieser Weltsensation für sich beansprucht.«
»Das wäre sogar äußerst großzügig.«
»Was heißt großzügig. Das ist einzig und allein eine Frage des Geldes. Oder dachten Sie, ich böte Ihnen kostenlos eine Weltsensation an? Mister Merton, ich habe 50 000 Pfund in dieses Unternehmen gesteckt. Es ist an der Zeit, daß diese Investitionen Früchte tragen.«
»Ich verstehe, aber ich verfüge nicht über die Kompetenz, Exklusivrechte für mein Blatt einzukaufen. Ich werde umgehend Mr. Geoffrey Dawson, den Verleger der Times, verständigen. Mr. Dawson wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen, Mylord. Und was mich betrifft, nehme ich den nächsten Zug nach Luxor.«
»In Ordnung, Merton. Ich erwarte Sie spätestens morgen im Hotel ›Winter Palace‹.«
Ein Blitzgespräch nach Kairo erschien Ali Mansour, dem Direktor des Post- und Telegraphenamtes, viel zu wichtig, um es ungeprüft auf den Weg zu schicken. Deshalb hatte er mit Hilfe eines Kopfhörers, der an einem Schaltkasten hinter den vergitterten Schaltern angeschlossen war, jedes Wort belauscht. Sein Englisch war nicht das beste, aber soviel hatte Mansour verstanden: Lord Carnarvon hatte im Tal der Könige ein Pharaonengrab entdeckt – Mahschallah!
Vom Telegraphenamt begab sich Lord Carnarvon zum Hotel »Winter Palace«. Seine Kleidung war staubig und verdreckt und trug deutliche Spuren eines Ausgräbers. Von Durst geplagt, blieb der Lord jedoch in der Hotelbar hängen, wo es um diese Zeit noch ziemlich leer war.
Wie zufällig hielt sich in dem düsteren, mit dicken Teppichen belegten Raum ein Mann auf, den er schon einmal
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