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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Steinstufen, die in die Tiefe führten.
    Wie am Vortag herrschte eine Atmosphäre gespannter Erwartung. Nicht einmal die sonst so geschwätzigen Arbeiter, welche die Bruchstücke, die Carter aus der Mauer schlug, in Körben nach oben schafften, wagten zu sprechen.
    Nach einer halben Stunde kam der Rais mit seinen Arbeitern nach oben und sagte: »Carter-Effendi bittet Sie, nach unten zu kommen.«
    In der Mauer, die die Schatzkammer verschloß, klaffte ein großes Loch, groß genug, daß sich ein erwachsener Mensch in gebückter Haltung hindurchzwängen konnte. Im Inneren der Kammer war bereits eine Lampe aufgestellt, welche das kostbare Hab und Gut des Pharaos zum Funkeln brachte. Berauscht vom Anblick der Schätze, wagte keiner, in die Grabkammer einzusteigen.
    Vergessen war der vorangegangene Abend, der Haß, den Carter Lord Carnarvon entgegenbrachte, und Evelyns Enttäuschung, weil Howard seine Liebe zu ihr verleugnet hatte.
    »Nach Ihnen!« meinte Carnarvon, als Carter ihm den Vortritt ließ; doch der bestand darauf, daß Seine Lordschaft voranging. Nach längerem Hin und Her entschied sich Evelyn, als erste den Schritt zu wagen, gefolgt von ihrem Vater, zuletzt Carter.
    Die Vorstellung, dieselbe Luft zu atmen, welche die Sklaven des Pharaos vor über dreitausend Jahren am Leben erhielt, ließ die drei erschauern. Es roch sonderbar süßlich nach Staub, und der Geruch hatte zur Folge, daß ein jeder nur in kurzen Stößen atmete.
    Linker Hand neben dem Eingang lagen, in Einzelteile zerlegt, mehrere Streitwagen. Dahinter Truhen und Kästen, Vasen aus Alabaster und allerlei dekorative Zierstücke, wie sie keiner von ihnen je gesehen hatte. Bettgestelle und Liegen, aus Fabeltieren geformt und mit Gold belegt, wechselten mit Truhen, bemalt oder mit Einlegearbeiten versehen, und Schatullen, in denen man kostbaren Schmuck vermuten durfte. Mehrere Thronsessel, zierlich, als wären sie für Kinder gedacht, blinkten in purem Gold, zum Sitzen viel zu schade, denn die Rückenlehnen zeigten farbige Reliefs, vornehmlich in dunklem Blau und stumpfem Rot, Szenen aus dem Familienleben des Pharaos. Dazwischen Arbeiten aus Alabaster, der im Scheinwerferlicht gelblich funkelte, Schiffe mit Tierköpfen an Bug und Heck, Deckelkrüge in unterschiedlichen Größen und Trinkgefäße und Pokale, wohl eher zur Zierde als zum Zechen geeignet.
    Es schien, als hätten die Nachkommen ihrem verstorbenen Pharao den gesamten Hausrat mitgegeben, unschätzbare Kostbarkeiten, aber auch schlichte Gebrauchsgegenstände für den Alltag im Jenseits, Teller, Körbe, Sandalen und praktische Schächtelchen aus hauchdünnem Holz.
    Carter fand zuerst die Fassung wieder. Während der Lord und Evelyn sich stumm und atemlos umblickten, unfähig, die Vielzahl Hunderter, ja Tausender Gegenstände in ihrem Gedächtnis zu speichern, begann Howard, das Geschaute zu analysieren. In der Kammer herrschte Unordnung, und Carter sah sich in seinem ersten Verdacht bestätigt, daß Räuber schon in alter Zeit in diesen Raum eingedrungen und vermutlich gestört worden waren, so daß sie nur wenige Stücke in ihren Besitz gebracht hatten.
    Mit kritischem Blick suchte er die Wände ab. Sie waren schmucklos und rauh und trugen deutlich sichtbare Meißelspuren. Links an der dem Eingang gegenüberliegenden Längsseite waren Unterschiede im Mauerwerk zu erkennen, ebenso an der rechten Schmalseite der Kammer, wo zwei lebensgroße Statuen, schwarzhäutige Speerträger von furchteinflößendem Äußeren, einen vermauerten Zugang zu bewachen schienen.
    Lord Carnarvon, der irritiert Carters prüfende Blicke beobachtete, fragte im Flüsterton: »Nun, Mr. Carter, was ist Ihre Meinung?«
    Howard wandte sich um, und bedächtig antwortete er: »Ich glaube, alles, was wir hier vor uns sehen, ist erst der Anfang. Vermutlich befinden wir uns in der Vorkammer des Grabes, und es gibt noch andere Räume mit bedeutsamen Beigaben.«
    »Mr. Carter!« rief Carnarvon entsetzt, als wollte er sagen: Mäßigen Sie sich!
    Carter streckte den Arm aus und zeigte auf die Unregelmäßigkeiten an den Wänden, die er soeben entdeckt hatte: »Da, sehen Sie, zwei vermauerte Türen! Ich müßte mich sehr täuschen, wenn je ein Mensch dort eingedrungen wäre.«
    »Sie glauben also, daß wir hinter einer dieser Mauern die Mumie des Pharaos Tut-ench-Amun finden werden, mit all den Schätzen, welche die alten Ägypter ihren toten Königen ins Grab legten?«
    Da wurde Carter wütend: »Sie reden immer nur von Schätzen

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