Der König von Luxor
irgendwo gesehen hatte. Im Augenblick wußte Carnarvon jedoch nicht, woher er ihn kannte, und deshalb verhielt er sich, als würde er den Fremden nicht bemerken.
Der Lord bestellte ein Coca-Cola, ein neumodisches Getränk, das weniger in Adelskreisen als bei Künstlern, Musikern und Globetrottern Zuspruch fand. Dazu nahm Carnarvon einen Scotch, und ehe er sich versah, waren es drei oder vier, jedenfalls genug, um seine zur Schau getragene Überheblichkeit vergessen zu lassen.
Als hätte der Fremde die Wandlung seines Verhaltens bemerkt, trat er aus dem Hintergrund auf Carnarvon zu und sagte in breitem Englisch: »Darf man Sie beglückwünschen, Mylord? Wenn ja, dann möchte ich der erste Gratulant sein.«
Carnarvon blickte auf und sah in ein verhärmtes Gesicht mit einer Falte, die sich senkrecht über die Stirn zog. »Spink, Robert Spink«, bemerkte der Fremde, eine nicht gerade sympathische Erscheinung.
»Ach ja«, erwiderte der Lord, »wozu wollen Sie mir gratulieren?«
»Zu Ihrer Entdeckung, Mylord! Vor mir brauchen Sie sich nicht zu verstellen. Spink weiß alles, was in und um Luxor vorgeht.«
Lord Carnarvon blickte finster drein. »Mit Verlaub, Mr. Spink, was soll ich denn entdeckt haben?«
»Tut-ench-Amun!« Spink grinste über das ganze Gesicht, wie es seine Art war. »Er ist schon ein Teufelskerl, dieser Carter!«
»Und das sagen ausgerechnet Sie, Mr. Spink? Wenn ich mich recht erinnere, zählen Sie nicht gerade zu Carters Freunden.«
»Schon richtig, Mylord; aber unsere persönlichen Auseinandersetzungen liegen lange zurück. Ich möchte nicht mehr daran denken, obwohl ich beinahe täglich daran erinnert werde.« Dabei hob er mühsam sein linkes Knie. »Es ist schon über dreißig Jahre her, daß Carter mich zum Krüppel gemacht hat.«
»Und warum sind Sie ihm dann ausgerechnet nach Ägypten gefolgt, wenn Ihr Zusammentreffen nur Unheil bringt?«
»Warum, warum?« Spink wurde heftig. »Ich kam der Liebe wegen nach Luxor, aber auch die wurde von Carter zerstört. Er will jede Frau besitzen, die ihm gefällt.«
Bisher war Carnarvon Spinks Worten eher gleichgültig gefolgt. Mit einem Mal wirkte er angespannt und unruhig. Er leerte sein Glas in einem Zug und machte Anstalten, die Hotelbar zu verlassen.
Doch Spink verfolgte ihn wie ein Betteljunge. »Nichts für ungut, Mylord. Ich wollte Sie nicht mit meinen persönlichen Belangen belästigen.«
Schweren Schrittes versuchte Carnarvon, den unliebsamen Begleiter abzuschütteln; aber Spink blieb hartnäckig. Während der Lord sich beim Portier erkundigte, ob seine Tochter schon im Hotel eingetroffen sei, wechselte Spink das Thema. Plötzlich redete er im Flüsterton.
»Mylord, Sie haben viel Geld ausgegeben für die Grabungen im Tal der Könige. Sie sollten darauf bedacht sein, daß Sie nicht um die Früchte Ihrer Arbeit gebracht werden. Es geht mich ja nichts an, aber Carter hat bereits bei mir angefragt, ob ich bereit wäre, die kostbarsten Stücke aus dem Pharaonenschatz für ihn zu Geld zu machen.«
Nachdem der Portier Carnarvons Frage verneint hatte, wandte sich der Lord dem lästigen Begleiter zu und zischte: »Mr. Spink, lassen Sie mich endlich mit Ihren Intrigen in Frieden. Verschwinden Sie, bevor ich mich vergesse!«
Spink zog den Kopf ein, drehte sich um und verschwand wie ein geprügelter Hund.
Mit der Fähre setzte Carnarvon über den Fluß. Während der laue Abendwind in das schmutzigweiße Segel strich, schossen dem Lord tausend Gedanken durch den Kopf. Gewiß, dieser Spink war ein unverschämter Intrigant; aber hatte er nicht recht mit seinen Anschuldigungen? Hatte sich Carter nicht an seine Tochter herangemacht, dieser kleinbürgerliche Ausgräber mit zweifelhafter Abstammung? Hatte er nicht selbst, und das nicht ohne Stolz, behauptet, jahrelang vom Antiquitätenschmuggel gelebt zu haben? Wenn er nicht aufpaßte, hätte er nachher vielleicht wirklich das Nachsehen.
Mit einem Pferdewagen, der am Ufer wartete, gelangte Carnarvon zu Carters Haus. Als er Licht sah, ließ er den Kutscher warten und kletterte den steinigen Hügel empor. Die Stille der Wüste wurde plötzlich vom übermütigen Gelächter seiner Tochter unterbrochen. Behutsam öffnete er die Türe des Hauses und gelangte unbemerkt in das Innere. Mit einem Mal bereute er, daß er zuviel getrunken hatte. Der Alkohol tat seine Wirkung, es fiel ihm schwer, sich aufrecht zu halten. Mühsam tastete er sich durch den spärlich beleuchteten Vorraum in Richtung des Zimmers, aus dem
Weitere Kostenlose Bücher