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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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einen Kreis um den Erdtrichter bildeten und jeden, der ihnen zu nahe kam, mit erhobenem Gewehr in die Schranken wiesen.
    Als Carter und Merton sich näherten, brach Panik aus. Journalisten, Touristen und ein Dutzend neugieriger Polizisten stürzten sich auf die ankommende Pferdekutsche, hoben, drängten und zerrten Howard aus dem Wagen, daß dieser auf dem kurzen Stück Weges um sein Leben fürchtete. Nur mit äußerster Anstrengung und unter Opferung der Knöpfe seines Anzugs gelang es ihm, sich mit Merton in die Vorkammer des Grabes zu flüchten, wo sich bereits der Lord, Lady Evelyn und Callender aufhielten.
    »Mr. Merton«, rief Carnarvon spöttisch, »was haben Sie bloß angerichtet!«
    Der »Times«-Reporter entledigte sich seiner Jacke, die deutlichen Schaden genommen hatte, hängte sie über den Arm einer der lebensgroßen Wächterfiguren und antwortete: »Es war Ihre Idee, Mylord. Jetzt werden Sie damit leben müssen.«
    Carnarvon hob schmunzelnd die Schultern und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Die Luft in der Vorkammer war stickig. Man wagte kaum zu atmen. Aber nicht nur deshalb herrschte eine beklemmende Atmosphäre. Evelyn saß abseits auf einem hölzernen Klappstühlchen und würdigte Carter keines Blickes, Carnarvon klopfte planlos mit einem Taschentuch Staub von den Rädern eines Streitwagens, Callender machte irgendwelche Aufzeichnungen.
    Auch ohne den Hinweis Sayyeds wäre Carter nicht entgangen, daß der Grabschatz der Vorkammer geplündert worden war. Es fehlten mehrere Kästen und Schatullen, Vasen und Figuren, was genau, vermochte er nicht zu sagen, aber genug, um damit reich zu werden.
    Carnarvon, dem der prüfende Blick seines Ausgräbers nicht entging, versuchte die Situation zu überspielen, indem er Belangloses redete: »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise, Mr. Carter. Waren Sie gut untergebracht? Das ›Shepheards‹ ist ein vorzügliches Hotel. Kunststück – unter englischer Leitung. Hat man Ihnen das Automobil vorgeführt? Wann werden die Herren der Altertümerverwaltung hier erscheinen?«
    »Bei Gelegenheit«, erwiderte Howard. »Lacau zeigte sich nicht gerade begeistert über unsere Entdeckung. Immerhin läßt er uns freie Hand bei der weiteren Arbeit. Außerdem verwies er auf das neue Gesetz, das jede Ausfuhr von Altertümern verbietet.«
    Der Lord räusperte sich verlegen, und Carter blickte ihm herausfordernd ins Gesicht. Es war ein Kräftemessen der beiden Männer. Schließlich beendete Carnarvon das stumme Duell und wandte sich an Merton: »Sehen Sie eine Möglichkeit, wie wir hier wieder heil herauskommen?«
    »Ich werde eine Pressekonferenz für sieben Uhr im Hotel ›Winter Palace‹ ankündigen, bei der Sie, Mylord, und Mr. Carter anwesend sein werden. Mit Ihrem Einverständnis erteile ich Photographiererlaubnis.«
    Kaum hatte Merton die Vorkammer verlassen, drang aufgeregtes Geschrei nach unten, das jedoch schnell verebbte. Callender und der Lord entfernten sich, um oben nach dem Rechten zu sehen.
    Carter blieb mit Evelyn in der Vorkammer zurück. »Du hast mich enttäuscht, Howard, schwer enttäuscht«, hörte er Evelyn unvermittelt sagen.
    Howard wandte sich ihr zu und erwiderte: »Ich bin mir keiner Schuld bewußt, im Gegenteil, dein Vater hat mich zutiefst gedemütigt, und du scheinst mit ihm einer Meinung zu sein.«
    »Ich bin mit Papa selten einer Meinung. Das weißt du am allerbesten. Neulich, als uns mein Vater überraschte, habe ich gehofft, du würdest um meine Hand anhalten. Aber du bliebst stumm. Das hat mich sehr getroffen.«
    Carter lachte, aber sein Lachen klang bitter. »Seine Lordschaft hat mir mehr als einmal zu verstehen gegeben, daß ich von meiner Herkunft und an Jahren nicht genehm bin. Im übrigen scheinst du vergessen zu haben, daß du verlobt bist. Wir sollten uns damit abfinden.«
    »Wenn du meinst, Carter.« Evelyn sprang auf und tippelte mit kurzen Schritten in der Vorkammer auf und ab. »Ich dachte, unsere Liebe wäre stärker; aber wahrscheinlich habe ich mich geirrt.«
    Carter nahm ihre Hand. »Evelyn«, sagte er ernst. »Du hast dich nicht geirrt. Aber unter den gegebenen Umständen hätte unsere Liebe keine Zukunft gehabt.«
    Evelyns Augen füllten sich mit Tränen.
    »Glaub mir«, sagte Carter und küßte sie sanft auf die Stirn. »Du wärst an meiner Seite nicht glücklich geworden.«
    Von oben näherte sich Carnarvon. »Mertons Ankündigung einer Pressekonferenz blieb nicht ohne Wirkung«, bemerkte er

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