Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
Nachtzug Luxor, und obwohl es noch früh am Morgen war, drängten sich viele Menschen auf dem Bahnsteig, unter ihnen der Provinzgouverneur, der Bezirkspolizeichef, der Polizeichef von Luxor und der Direktor des Hotels »Winter Palace«, welche, kaum hatte er den Zug verlassen, auf ihn zustürzten, ihm die Hände schüttelten, als kehrte er von einer Weltreise zurück, und ihn zu seiner großen Tat beglückwünschten.
    Der Direktor des »Winter Palace« meinte gar, ein so berühmter Mann wie Carter dürfe nicht in einem Haus ohne fließendes Wasser, noch dazu jenseits des Nils wohnen, er fühle sich geehrt und würde sich glücklich schätzen, ihn, Carter, in einer Suite seines Hauses zu beherbergen – kostenlos natürlich. Da halfen auch keine Beteuerungen, er fühle sich in seinem Haus vor dem Eingang zum Tal der Könige recht wohl, ja im Vergleich zu anderen Behausungen, in denen er während seines Ausgräberlebens genächtigt habe, sei diese sogar komfortabel, Howard mußte – ob er wollte oder nicht – eine Kutsche besteigen, die ihn zum »Winter Palace« brachte.
    Carters Suite lag im Hochparterre gegenüber der von Lord Carnarvon mit Ausblick zum Nil. Es gab ein Badezimmer, schwarz-weiß gekachelt und mit blitzenden Wasserhähnen aus Messing, an der Wand neben der Türe ein elektrisches Schaltbrett mit fünf Knöpfen und ebenso vielen Emailschildern darunter mit der Aufschrift »Portier«, »Room-Service«, »Message«, »Cleaning«, »Manager«.
    Irritiert von so viel Luxus und Technik, aber nicht ohne Schalk im Nacken, drückte er auf einen der Knöpfe, zweifelnd, ob diese ihre Funktion erfüllten. Als über der Tür eines von fünf Lämpchen aufleuchtete, erschrak er, und er versuchte die angerichtete Misere rückgängig zu machen, indem er mit der flachen Hand alle übrigen Schaltknöpfe mehrmals niederdrückte.
    Zunächst geschah nichts. Nach einer Weile klopfte es. Howard öffnete. Vor der Türe standen aufgereiht ein kräftiger Kofferträger, ein Etagenkellner mit Serviertuch über dem Handgelenk, ein Botengänger mit Schreibzeug, ein Reinigungsmann in weißer Galabija mit Putztuch und Staubwedel und der Hoteldirektor im schwarzen Anzug. Wie auf Kommando verneigten sie sich, und der Manager fragte devot: »Was können wir für Sie tun, Mr. Carter?«
    Den ungewollten Aufmarsch vor seiner Türe fand Howard ebenso peinlich wie amüsant. Es schien, als hätte sich die Wirklichkeit verändert. Aber auch Carter hatte sich verändert, denn er sagte: »Gentlemen, ich danke Ihnen, ich wollte nur einmal sehen, ob Ihr Hotel seinem Ruf gerecht wird.«
    Howard schloß die Türe und schmunzelte. Vor beinahe dreißig Jahren hatte man ihn aus diesem Hotel hinausgeworfen. Emil Brugsch, der alte Gauner – er war schon lange tot –, hatte ihn vor allen Gästen des Diebstahls beschuldigt. Damals war er im Gefängnis gelandet. Und heute?
    Während er sich umkleidete, um sich auf den Weg ins Tal der Könige zu machen, kam erneut der Botengänger und meldete, ein armloser Krüppel namens Sayyed warte beim Portier, er wünsche ihn dringend zu sprechen und lasse sich nicht abweisen.
    »Bring ihn auf schnellstem Wege her!« rief Carter aufgebracht. »Und noch eins: Ich möchte nicht noch einmal hören, daß du Sayyed als Krüppel bezeichnest, verstanden?«
    Sayyed schien äußerst erregt. »Carter-Effendi! Ich habe Sie überall gesucht und erst heute erfahren, daß Sie nach Kairo gereist sind. Schlimme Dinge haben sich ereignet!«
    »Schon gut!« versuchte Carter Sayyed zu beruhigen. »Ich war in Kairo und habe dir etwas mitgebracht.« Howard ging ins Ankleidezimmer. Als er zurückkehrte, hielt er in jeder Hand einen Arm, einen künstlich gefertigten menschlichen Arm, ein jeder so lebensecht, daß man zweifeln konnte, ob es sich wirklich um Prothesen handelte, wären da nicht die Lederbänder, Schnallen und Ösen gewesen, mit denen sie an den Armstümpfen befestigt wurden.
    »Sie werden dir zwar nie deine richtigen Arme ersetzen«, meinte Howard, »aber vielleicht helfen Sie dir, dein Schicksal leichter zu ertragen.«
    Sprachlos starrte Sayyed auf die Armprothesen. Vor Rührung begann er zu weinen. Der starke, armlose Mann weinte wie ein Kind. Schließlich sagte er leise: »Warum tun Sie das, Carter-Effendi?«
    Howard hob die Schultern. Auch er vermochte seine Rührung nicht zu verbergen.
    Während er Sayyed die Prothesen anlegte, begann dieser zu erzählen, daß Lord Carnarvon Spink angeheuert habe, um Schätze aus dem Grab

Weitere Kostenlose Bücher