Der König von Luxor
Augenblick wurde Howard verlegen: »Als Freund? – Wir sind zumindest keine Todfeinde und haben uns bisher noch nicht die Schädel eingeschlagen.«
Robert McLeod von der Daily Mail: »Mr. Carter, Sie leben allein und sind möglicherweise schon heute der begehrteste Junggeselle der Welt. Haben Sie nie daran gedacht zu heiraten?«
»Daran gedacht schon; aber das Glück war eben nicht auf meiner Seite. Ausgräber sind keine Männer zum Heiraten. Welche Frau mag schon einen Mann, der ständig schmutzige Fingernägel hat.«
Als Reporter der New York Times gab sich Ted Harris zu erkennen. Er war in einer weißen Segleruniform erschienen und redete im breiten, nur schwer verständlichen Südstaaten-Dialekt: »Hello Howard, Sie sind jetzt der König von Luxor. Wie fühlen Sie sich in Ihrer Rolle?«
Carter machte eine abwehrende Handbewegung und erwiderte aufbrausend: »Wissen Sie, ich bin seit dreißig Jahren als Ausgräber tätig, und in all der Zeit hat sich kein Hund um mich gekümmert. Dabei hätte ich mir manchmal ein bißchen Aufmerksamkeit gewünscht. Jetzt ist mir der Rummel eher zuviel. Aber um Ihre Frage zu beantworten: König von Luxor zu sein ist sehr anstrengend.«
Mürrisch, den Blick bisweilen teilnahmslos zur Decke gerichtet, verfolgte Lord Carnarvon das Geschehen, und als Merton nach einer Stunde und zwanzig Minuten die Pressekonferenz mit dem Hinweis beendete, alles weitere könne man der nächsten Ausgabe der Londoner Times entnehmen, da nahm der Lord Merton beiseite und herrschte ihn an: »Ich habe Mr. Carter nicht fünfzehn Jahre bezahlt, damit er den Ruhm für sich allein einstreicht. Ich wünsche, daß im Zusammenhang mit der Entdeckung mein Name an erster Stelle genannt wird.«
Voll Ungeduld wartete Lord Carnarvon am folgenden Tag auf Spinks Vollzugsmeldung, daß die Schätze wohlbehalten in Arabien eingetroffen und auf den Weg nach England gebracht worden seien. Sobald die Nachricht eingetroffen war, wollte Carnarvon umgehend nach England zurückreisen, um die kostbare Fracht in Empfang zu nehmen.
Beim Frühstück auf der Terrasse des »Winter Palace«, das er wie gewöhnlich zusammen mit seiner Tochter unter einem großen Sonnenschirm einnahm, setzte er Evelyn von seinen Plänen in Kenntnis, ohne den wahren Grund für die plötzliche Abreise zu erwähnen. Im übrigen herrschte frostige Stimmung zwischen den beiden, weil jeder seinen Problemen nachhing: Der Lord konnte sich nur schwer damit abfinden, daß Carters Name in aller Munde war, während er selbst kaum Erwähnung fand, und Evelyn schmollte, weil die Dinge einen anderen Verlauf genommen hatten, als sie sich das vorgestellt hatte. Zwar war sie nicht einmal sicher, ob sie Lord Beauchamp wirklich einen Korb gegeben hätte, aber daß Howard kampflos das Feld geräumt hatte, kränkte sie immer noch.
So schwiegen sie vor sich hin, während sich der Lord in seine Zeitungen vergrub, welche bis auf die Egyptian Gazette schon ein paar Tage alt waren, tranken Tee, löffelten Dickmilch und aßen Toast von schwarzer Farbe. Ab und zu lugte Carnarvon über seinen Zeitungsrand und warf drei Photographen, die sich hinter einem Oleanderstrauch vor dem Aufgang zur Terrasse verborgen hielten, einen verächtlichen Blick zu.
»Papa, wo ist eigentlich Mr. Carter heute morgen?« fragte Evelyn eher belanglos.
Da knallte der Lord die Zeitung auf den Tisch und zischte, verstohlen nach allen Seiten blickend, damit niemand seinen Zornesausbruch bemerkte: »Fängst du jetzt auch schon damit an: Carter, Carter, Carter! Seit Tagen hört man nur diesen einen Namen – als wäre er wirklich der König von Luxor. Am besten wendest du dich an einen der Photographen, die hier überall herumlungern. Sie können dir sicher sagen, wo sich Mr. Carter gerade aufhält.«
»Mir scheint, du bist eifersüchtig auf Howard«, lachte Evelyn.
»Ach was!« wiegelte Carnarvon ab. »Glaubst du, es ist angenehm, Tag und Nacht von dieser Reportermeute verfolgt zu werden? Carter kann doch keinen Schritt mehr tun, ohne daß er morgen in der Zeitung steht. Hier«, er klopfte mit dem Handrücken auf das Zeitungsblatt, »hier kannst du lesen: Mr. Carter, der Entdecker des Pharaonengrabes, begab sich gestern gegen Abend zum Schneider Georgios Konidaris unter den Arkaden des Hotels ›Winter Palace‹, um sich einen Abendanzug anpassen zu lassen. Widerlich ist dieser Klatsch, einfach widerlich!«
»Und was schreibt man über Lord Carnarvon?« fragte Evelyn mit einem ironischen
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