Der König von Luxor
hoffe, ich habe Sie nicht zu sehr erschreckt«, meinte Merton versöhnlich, »aber das sind nun einmal die Regeln im Zeitungsgeschäft. Im Grunde genommen geht es gar nicht um Neuigkeiten, um Menschen und Schicksale, in Wahrheit geht es nur ums Geld. Und Ihr Tutamun verspricht nicht nur viel Geld, er verspricht sehr viel Geld!«
»Tut-ench-Amun, Mr. Merton!«
»Meinetwegen Tut-Mackenzie. Hauptsache, die Geschichte stimmt.«
»Tut-Mackenzie!« wiederholte Carter leise und nickte gekünstelt mit dem Kopf. »Das Grab des Tut-Mackenzie. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen. Ich muß zur Altertümerverwaltung.«
»Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen, Mr. Carter? Es wäre für Sie von großem Vorteil, wenn Sie nicht den Vorderausgang benutzen würden. Auch nicht den Hinterausgang. So schlau sind Reporter schon lange. Aber das ›Shepheards‹ verfügt über einen Seitenausgang für Lieferanten. Wenn ich Sie aus dem Hotel geleiten dürfte?«
Widerwillig stimmte Howard zu und gelangte durch die Küche und Wäscherei des Hotels ins Freie.
Die Herren der Altertümerverwaltung, allen voran ihr Direktor Pierre Lacau, ein französischer Jesuit, der sich im Zweitberuf mit Ägyptologie beschäftigte, zeigten sich wenig beeindruckt von Carters Entdeckung. Lacau kündigte jedoch an, in den nächsten Tagen vor Ort nach dem Rechten zu sehen. Im übrigen verwies er auf das gesetzliche Verbot, sich irgendwelche Grabungsfunde anzueignen.
Zurück im Hotel, das er auf demselben heimlichen Weg betrat, wie er es verlassen hatte, wollte Carter sich ausruhen. Er hatte im Zug schlecht geschlafen und hoffte, vor seiner Rückreise am Abend noch eine Mütze Schlaf zu finden. Gerade war Howard eingeschlafen, da weckte ihn der Hoteldirektor, der in Begleitung eines nicht weniger vornehmen Herrn erschien, eines gewissen Mr. Waller, der breiten Aussprache nach ein Amerikaner. Der versuchte Carter zu überzeugen, daß ein schwarzes Automobil der Marke Ford, Modell T, ihm gehöre, angewiesen von Lord Carnarvon, zur Zeit Luxor. Es erwarte ihn vor dem Hoteleingang.
Howard verstand die Welt nicht mehr. Er zog sich am Ohrläppchen, weil er zu träumen glaubte. »Sind Sie sicher, daß dieses Automobil für mich bestimmt ist?« erkundigte er sich vorsichtig bei dem Amerikaner.
»Wenn Sie Mr. Carter aus Luxor sind, absolut sicher.«
»Aber ich weiß doch nicht, wie man mit einem solchen Fahrzeug umgeht!«
»Dazu bin ich ja hier, Mr. Carter. Ich werde Sie augenblicklich in die Fahrkunst einweisen. Es ist kinderleicht. Das Automobil hat zwei Fußpedale, eines für jeden Fuß. Damit steuern Sie alle Funktionen des Fahrzeugs. Und was das Lenkrad betrifft, so verändert es die Laufrichtung der Vorderräder nach Ihren Wünschen. Sogar Frauen lernen in kurzer Zeit, mit diesem Automobil umzugehen. Darf ich bitten, Mr. Carter!«
Im Beisein einer Horde aufgeregter Reporter, die jede Handlung Carters mit Neugierde verfolgten, steuerte Howard den offenen Tourer über die Nilpromenade, während Mr. Waller als Beifahrer laute Anweisungen rief, die Carter beinahe andächtig wiederholte. Nach einer Stunde praktischem Unterricht in Fahrkunst hielt Mr. Waller Howard, der sich im übrigen nicht ungeschickt angestellt hatte, durchaus für fähig, das amerikanische Automobil über ägyptische Straßen zu lenken, und er versprach das schwarze Fahrzeug – aus Kostengründen war das Modell »T« in keiner anderen Farbe zu haben – innerhalb weniger Tage per Schiffsfracht nach Luxor zu liefern.
Howard trat die Rückreise zusammen mit Merton an, der ihn routiniert vor der Journalistenmeute abschirmte, die sich ebenfalls im Zug befand und nichts unversucht ließ, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Ein Reporter – wie sich später herausstellte, schrieb er für den Daily Telegraph – trat ihm in der Uniform des Zugschaffners gegenüber, einem zweiten gelang es während des Aufenthaltes im Bahnhof von Minja, das Fenster von Carters Schlafkabine von außen zu öffnen und sein Handgepäck zu durchwühlen.
Carters übriges Gepäck reiste im Frachtwaggon des Zuges und war geeignet, einem Ahnungslosen manches Rätsel aufzugeben; denn außer einem Eisengitter zum Verschließen des Grabes hatte Howard zweiunddreißig Ballen Leinen, eine Meile Verbandsmaterial und ebensoviel Watte gekauft zum Verpacken der Grabbeigaben sowie die lebensechte Nachbildung zweier menschlicher Körperteile, von denen noch die Rede sein wird.
Mit angemessener Verspätung erreichte der
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