Der König von Luxor
in Ägypten wie Pilze aus dem Boden schossen. Und keiner der Berühmten, Reichen und Schönen wollte die Gelegenheit versäumen, sich das Grab des Tut-ench-Amun von Howard Carter persönlich zeigen zu lassen.
Mit seinem Ford-Automobil, das inzwischen aus Kairo eingetroffen war, legte er mehrmals am Tag den Weg von der Nilfähre zum Tal der Könige zurück, chauffierte hohe Herrschaften, machte Führungen, gab Auskünfte oder stand nur bereit, um sich von Touristen, die sich tagtäglich in einer nicht enden wollenden Menschenschlange vom Nilufer hinauf zum Grab des Pharaos bewegten, berühren zu lassen, als wäre er ein wundertätiger Heiliger.
Carter hatte die umliegenden Pharaonengräber zweckentfremdet, ein Laboratorium eingerichtet für den Chemiker, den ihm das Museum in Kairo geschickt hatte, ein Magazin zum vorübergehenden Stapeln der Grabschätze, einen Aufenthaltsraum samt Speisezimmer für die Mannschaft und ein Photolabor.
Von den Hotels wurden weißgedeckte Tische, Korbstühle und Sonnenschirme aufgestellt, Hoteldiener brachten Picknickkörbe und reichten Champagner. Die Herren warteten rauchend, die Damen strickend oder den neuesten Klatsch verbreitend, bis Carter den Kopf aus irgendeiner Erdöffnung steckte, um dann sofort jubelnd, kreischend und applaudierend aufzuspringen, ihm die Hände entgegenzustrecken oder Geschenke, Briefe und Zettel mit der Zimmernummer ihres Hotels zu überreichen.
Kein Zweifel, Carter war berühmt, und nichts zieht Frauen mehr an als Berühmtheit. Feine Damen der Gesellschaft, die vor ein paar Wochen seinen Gruß nicht erwidert hätten, baten ihn in duftenden Briefchen zum Tee oder machten auf ihre heiratsfähigen Töchter und eine respektable Mitgift aufmerksam.
Im Post- und Telegraphenamt von Luxor vervielfachte sich der Arbeitsaufwand. An der Nillände, wo seit Jahren ein Dampfer dem nächsten Platz gemacht hatte, lagen die Dampfschiffe in Dreierreihen. Das Hotel »Luxor« und das »Winter Palace« mußten, um den Ansturm der Gäste zu bewältigen, in ihren Parks Zelte aufstellen. Einheimische vermieteten ihre Häuser und campierten unter freiem Himmel. An manchen Tagen war die Straße zum Tal der Könige blockiert, und es gab kein Durchkommen.
Arthur Merton schrieb die Artikelserie seines Lebens, jeden Tag einen Bericht, das kleinste Ereignis schien meldenswert. Seine Berichte gingen um die Welt. Nach Jahren der Langeweile, in denen die Zeitungen nur Kriegsreparationen, Gebietsaufteilungen und Konferenzen gemeldet hatten, waren die Menschen hungrig auf Geschichten über Schätze und Abenteuer.
Vor allem in Amerika stand das Publikum kopf. Auf Empfängen in Chicago, Los Angeles und New York kannte man nur ein Thema, die Schätze des geheimnisvollen Pharaos und seinen nicht minder geheimnisvollen Entdecker. Altägyptische Reliefs und Grabmalereien dienten als Vorbild für die Damenmode. In der Werbung, auf Plakaten und in Anzeigen, hielt der Pharao Tut-ench-Amun Einzug. Parfüms und Seifen trugen seinen Namen. Noch hatte Carter die eigentliche Sargkammer des Grabes nicht geöffnet, da öffnete in Hollywood das »Egyptian Theatre«, ein Kinematographentheater im Stil eines ägyptischen Tempels. Es war nur das erste einer Reihe ähnlicher Etablissements.
Tagelang beschäftigte sich Lord Carnarvon mit der Frage, warum Robert Spink die Frachtkosten so bereitwillig zurückzahlen wollte. Fünfzehntausend Dollar waren kein Pappenstiel, und zweifellos hatte Spink eine Vorauszahlung geleistet, wenn nicht sogar den gesamten geforderten Betrag bezahlt. Spink war ein Gauner, und bei Carnarvon wuchsen die Zweifel, ob er ihn nicht auch bei diesem Geschäft betrogen hatte.
Auf einem der vielen Empfänge, die beinahe täglich in Luxor stattfanden und bei denen er sich, um dem Fest den erwünschten Glanz zu verleihen, mit Carter abwechselte, begegnete der Lord eher zufällig dem Leiter des Telegraphenamtes Ali Mansour, einem in diesen Tagen vielgefragten Mann, besonders bei den anwesenden Journalisten. Mansour trauerte der guten alten Zeit nach, als Luxor noch ein geruhsamer Ort gewesen war, mit höchstens fünf ein- oder abgehenden Telegrammen am Tag und nicht viel mehr Telephongesprächen nach Kairo oder Assuan. Heute hingegen, dabei wischte er sich zur Anschauung mit dem Ärmel seines schwarzen Anzuges über die Stirn, heute komme er sich bisweilen vor, als leite er das Telegraphenamt in Kairo. Dort jedenfalls könne der Andrang nicht größer sein. Am Vortag seien alle
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