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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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abgestürzt? Oder hatte sich das Unglück auf dem Rückflug ereignet? Vielleicht verbarg sich hinter der Katastrophe ein Anschlag?
    Wie benommen kehrte der Lord ins Hotel »Winter Palace« zurück und kramte den Zeitungsbericht hervor. Diesem war in der Tat nicht zu entnehmen, ob sich das Flugzeug bei der Katastrophe auf dem Weg nach Arabien oder bereits auf dem Rückweg befand.
    Ratlos, was zu tun sei, genehmigte sich der Lord an der Bar einen Scotch und ließ sich in einem wuchtigen Fauteuil nieder. Natürlich würde Spink alles abstreiten: Es lag also an ihm zu beweisen, daß Spink ihn um seine Schätze gebracht hatte. Aber wie sollte er das anstellen? Ein Mann wie Carter mit seinen Beziehungen wäre vielleicht der richtige Mann gewesen; aber ihm den Coup einzugestehen und daß Spink ihn betrogen hatte, das wagte er nicht. Ihr Verhältnis war ohnehin äußerst gespannt.
    Nach zwei weiteren Scotchs, bei denen sich eine gehörige Wut aufgestaut hatte, verließ Lord Carnarvon die Hotel-Bar. Trotz fortgeschrittener Stunde – es war kurz vor eins –, drängten sich in der Halle die Gäste wie bei der Abfahrt des Nachtzuges auf dem Bahnhof. Stapel von Koffern und Reisetaschen versperrten den Weg. Reisende, die in dem überfüllten Hotel kein Zimmer bekommen hatten, nächtigten in Liegestühlen.
    Plötzlich erhob sich ein Geschrei, die Menschen klatschten, einige Frauen begannen zu kreischen. In der Drehtüre am Haupteingang erschien ein Mann in hellem Anzug mit blau-roter Fliege, er trug weiße Schuhe und einen Spazierstock mit silbernem Knauf in der Hand. Freundlich grüßte er nach allen Seiten, die Linke hob er huldvoll: Howard Carter.
    Respektvoll betrachtet und bestaunt wie eine Erscheinung des Himmels, bahnte sich Carter den Weg durch die überfüllte Hotelhalle, stieg linker Hand sechs Steinstufen empor und verschwand hinter einer Glastüre, die, worauf ein Messingschild hinwies, zu den Suiten 122 bis 140 führte. Lord Carnarvon nutzte den Augenblick, sich unbemerkt durch die Hotelhalle ins Freie zu stehlen.
    In einer schwachbeleuchteten Droschke fuhr er auf der Sharia al-Bahr an-Nil nordwärts. Er wußte nicht, wie er diesem Spink begegnen sollte. Nicht mehr ganz nüchtern, redete er laut vor sich hin, sich sicher glaubend, daß ihn der Kutscher nicht verstünde. »Ich bringe ihn um«, sagte er ein um das andere Mal, »einen Carnarvon betrügt man nicht. Schon gar nicht um die Schätze des Tut-ench-Amun. Ich bringe ihn um!«
    Vor dem Haus angekommen, befahl er dem Kutscher zu warten, auch für den Fall, daß es länger dauerte. Um seinem Wunsch Nachdruck zu verleihen, reichte der Lord ein respektvolles Bakschisch nach oben und verschwand im Vorgarten des Hauses.
    Mit Rufen und Klopfen machte sich Carnarvon bemerkbar, trotzdem dauerte es eine Weile, bis Mahmoud, der Majordomus, an der Türe des Hauses erschien.
    »Spink soll kommen!« forderte der Lord in rüdem Ton. »Ich wünsche ihn auf der Stelle zu sprechen. Auf der Stelle!«
    Eingeschüchtert vom schroffen Auftreten Seiner Lordschaft hob Mahmoud beide Hände und beteuerte bei Allah und dem Leben seiner greisen Mutter, Mr. Spink sei verreist. Doch damit fand er bei Carnarvon keinen Glauben. Er stieß den Majordomus beiseite, stürmte in die obere Etage des Hauses und öffnete eine Türe nach der anderen, wobei er ausrief: »Wo steckt der Betrüger? Spink, du entkommst mir nicht!«
    Mahmoud, ein stämmiger, gutaussehender Ägypter mittleren Alters, hinderte den Lord nicht an seinem Amoklauf. Als er sich jedoch der letzten Türe näherte, stellte sich der Majordomus dem ungebetenen Gast in den Weg: »Dies ist das Schlafzimmer von Mr. Spink. Ich bitte Sie, Mylord, es nicht zu betreten!«
    Aber noch ehe er ihn daran hindern konnte, hatte Carnarvon die Türklinke niedergedrückt. Vor ihm tat sich die schwüle Atmosphäre eines Schlafzimmers auf, das eher dem Boudoir einer Lebedame glich: rote Tapeten an den Wänden, verschnörkeltes Mobiliar, das Bett unter einem verstaubten, rotgoldenen Baldachin, und in dem Bett zwei junge, dunkelhaarige, grellgeschminkte Ägypterinnen, deren Äußeres keinen Zweifel daran ließ, welchem verbotenen Gewerbe sie nachgingen.
    Verdutzt hielt der Lord inne und versuchte der unerwarteten Situation gerecht zu werden. Schließlich kam ihm Mahmoud zu Hilfe, indem er mit flehender Stimme ausrief: »Mylord, Sie werden mich doch nicht verraten! Mr. Spink wirft mich hinaus, wenn er davon erfährt, daß ich mich in seinem Schlafzimmer

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