Der König von Luxor
Hotelzimmer verließ, kam ihm Evelyn entgegen und fiel ihm weinend um den Hals: »Howard, Papa geht es schlecht. Er hat vierzig Grad Fieber. Der Arzt ist gerade bei ihm.«
»Was ist geschehen?« Zaghaft löste sich Carter aus ihrer Umarmung.
»Ich weiß nicht, nachts hörte ich einen Schrei aus seinem Zimmer. Ich wollte nach dem Rechten sehen, aber als ich in sein Zimmer trat, saß er aufrecht in seinem Bett und sagte, er habe einen schlechten Traum gehabt. Ich solle mich zurückziehen. Heute morgen fand ich ihn im Fieber. Er war kaum ansprechbar.«
Howard versuchte Evelyn zu trösten: »Solche Fieberanfälle sind nicht selten in diesem Klima. Sie verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind. Die letzten Wochen waren nicht leicht für ihn.«
In diesem Augenblick trat Dr. Mohamed Badawi, der Hotelarzt, aus dem Zimmer. Badawi machte ein besorgtes Gesicht: »Es sieht nicht allzugut aus, Mylady. Seine Lordschaft bedarf dringend klinischer Behandlung. Am besten wäre es, Sie würden Ihren Vater, sobald sich sein Zustand etwas gebessert hat, in ein Krankenhaus nach Kairo bringen. Wenn Sie wollen, werde ich Sie begleiten.«
»Wie geht es ihm jetzt, Doktor?«
»Er ist gerade wieder bei Bewußtsein. Aber das sagt nicht, daß sich sein Zustand insgesamt gebessert hat.«
»Ist Papa zur Zeit denn überhaupt transportfähig?«
»Sie könnten einen Schlafwagen im Nachtzug nach Kairo nehmen. Und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Mylady, je eher Sie sich dazu entschließen, desto besser für den Patienten.«
Dr. Badawi hatte noch nicht geendet, da wurde die Türe zu Carnarvons Zimmer von innen geöffnet, und der Lord trat auf den Korridor. Er trug einen ockerfarbenen Pyjama, sein Gesicht war dunkelrot angelaufen, die Haut schien zum Platzen gespannt, Schweiß perlte auf seiner Stirn, und die Augen traten aus ihren Höhlen hervor wie dunkle Glaskugeln.
»Papa!« rief Evelyn aufgeregt. Carter und Dr. Badawi starrten den Lord entsetzt an. Der stand da wie eine Erscheinung und begann plötzlich mit hohler Stimme zu sprechen: »Ich habe die Stimme Tut-ench-Amuns vernommen. Der Pharao fordert seine Schätze zurück.«
»Er redet wirr«, flüsterte Evelyn an Dr. Badawi gewandt, »Sie müssen etwas tun, bitte!«
»Das ist das Fieber«, erwiderte der Doktor. Dabei ließ er den Lord nicht aus den Augen.
Howard, der als einziger verstand, was den Lord in seinem Fieberwahn bewegte, sagte: »Ich glaube, die Bergung der Grabschätze hat Seine Lordschaft sehr mitgenommen. Ich kann nicht verhehlen, wir alle kamen uns irgendwie als Grabräuber vor – auch ich.«
Bedächtig, als näherte er sich einem scheuen Pferd, trat Dr. Badawi auf Carnarvon zu, ergriff seinen linken Oberarm und führte ihn in sein Zimmer zurück. Evelyn und Carter folgten. Sie ahnten nicht, in welcher Gefahr sie sich befanden, als sie Carnarvon ins Bett brachten.
Evelyn schüttelte das Kopfkissen auf, da fühlte sie einen harten Gegenstand. Im nächsten Augenblick zog sie einen Revolver unter dem Kissen hervor. »Was hat das zu bedeuten?« fragte sie verstört.
Carter nahm ihr die Waffe aus der Hand und schüttelte die Patronen aus dem Magazin, dann antwortete er beschwichtigend: »Der Revolver gehört mir. Ich habe ihn deinem Vater geborgt. Er fühlte sich von irgend jemandem bedroht.«
»Lächerlich!« entgegnete Evelyn heftig, und mit Zurückhaltung fügte sie hinzu: »Wer sollte Lord Carnarvon nach dem Leben trachten?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Howard, »aber mit dem Verkauf der Exklusivrechte an die Londoner Times hat sich dein Vater gewiß nicht nur Freunde geschaffen.«
Evelyn hob die Schultern.
Nachdem Carnarvon sich ins Bett begeben hatte, blickte er starr zur Decke, als lauschte er fernen Stimmen. Zum wiederholten Mal fühlte Dr. Badawi seinen Puls und nickte Evelyn aufmunternd zu. »Es wird alles gut«, sagte er mit leiser, tiefer Stimme, eine Eigenheit, die man an ihm beobachten konnte, wenn er am Ende seiner Künste war.
Während der Doktor, Evelyn und Carter um Lord Carnarvon herumstanden, begannen plötzlich seine Augen zu flackern, als kehrte Leben in sie zurück. Und ohne den Blick von der Decke zu wenden, rief Carnarvon zaghaft: »Evelyn! Carter soll kommen!«
»Er steht neben dir, Papa!« antwortete Evelyn, glücklich, daß ihr Vater wieder bei klarem Verstand war.
»Mr. Carter!«
»Ja, Mylord.«
»Mr. Carter, ich habe mich entschlossen abzureisen. Wir werden heute den Nachtzug nach Kairo nehmen…«
»Aber Mylord, Sie
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