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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Tochter?«
    »Ich möchte nicht darüber sprechen!« wiederholte Carnarvon lautstark. »Im übrigen hast du einen Verlobten, der zu Hause auf dich wartet. Manchmal glaube ich, du hast das schon vergessen.«
    »Papa!« rief Evelyn aufgebracht. »Wie kannst du so etwas behaupten!«
    »Nicht ohne Grund!« erwiderte Carnarvon heftig. »Aber lassen wir das.«
    Zorn stand Evelyn ins Gesicht geschrieben, und um sich zu rächen, sagte sie: »Laß Howard aus dem Spiel. Die Sache ist vorbei. Aber eins muß dir klar sein: Noch vor ein paar Wochen war dir Carter nicht gut genug. Heute macht er sich lustig über uns. Und wenn du in ein paar Monaten nach Ägypten zurückkommst, wird er fragen: Lord Carnarvon? Wer ist das?«
    Der Lord nahm noch einen Whisky, trank in schnellen Zügen und knallte das leere Glas gegen die Wand, daß es in tausend Scherben zerbrach. Dann erhob er sich schwerfällig, um auf sein Zimmer zu gehen. Evelyn folgte ihm mit Schamesröte im Gesicht.
    Weder ihr noch dem Lord fiel auf, daß der kleine Zwischenfall in der Hotelbar nicht unbeobachtet geblieben war.
    Nachts, gegen eins – der Lord lag in tiefem Schlaf und grunzte entspannt vor sich hin, und Evelyn hatte die Verbindungstür zwischen beiden Zimmern geschlossen – wurde ein Fenster von Carnarvons Suite behutsam aufgestoßen. Für gewöhnlich pflegte Seine Lordschaft bei halbgeöffneten Fenstern zu schlafen. Zwei Fenster seiner Suite gingen nach Osten zum Park, wo jetzt ein großes Zelt aufgeschlagen war zur Bewältigung des Touristenansturms.
    Dennoch hatte niemand bemerkt, wie sich eine dunkle Gestalt vom Hinterausgang der Halle auf dem schmalen Mauervorsprung, der das Hochparterre markierte, fortbewegte. Dies geschah keineswegs in jener bewundernswerten Kunstfertigkeit, welche Fassadenkletterern eigen ist, auch nicht unter Einsatz des Lebens, denn der Balanceakt fand nur zwei Meter über dem Boden statt.
    Durch das geöffnete Fenster lugte der Mann nach innen. Als alles ruhig blieb, schwang er seinen massigen Körper auf die Brüstung, hielt lauschend inne und zwängte sich schließlich, ohne ein Geräusch zu verursachen, durch die Öffnung. Im Schutz der zarten Vorhänge, die im kühlen Luftstrom leise fächelten, versuchte er vergeblich, sich zu orientieren. Deshalb ließ er einige Zeit verstreichen, in der er einem regelmäßigen, leisen Grunzen lauschte. Als er sicher sein konnte, daß sein Eindringen nicht bemerkt worden war, knipste er eine elektrische Taschenlampe an und richtete den Lichtstrahl zu Boden.
    Das Parkett wurde von einem kostbaren Teppich mit rot-blauem orientalischem Muster bedeckt. Im Lichtkegel tauchten Schuhe auf, aber nicht sorgfältig zusammengestellt, sondern achtlos liegengelassen, so wie sie von den Füßen gefallen waren.
    Bedächtig setzte der Eindringling einen Fuß vor den anderen, bis der Lichtkegel den Fußteil eines Bettes erfaßte, ein weißes Ungetüm mit barocken Formen, in dem Lord Carnarvon schlief. Obwohl der Lichtschein geeignet gewesen wäre, einen Schlafenden zu wecken, blieb er ohne Wirkung. Sogar als der Kegel sein Gesicht beleuchtete, zeigte der Lord keine Regung.
    Was dann geschah, lief mit solcher Schnelligkeit und in einer Präzision ab, daß man vermuten könnte, der Eindringling habe seine Tat nicht nur einmal geprobt. Der Mann, der ein dunkles Tuch vor dem Gesicht trug, wie es die Fellachen zum Schutz vor der Sonne benutzten, zog einen zylindrischen Glasbehälter hervor, öffnete den Schraubverschluß und kippte den schwarzen Inhalt behutsam neben Carnarvons Kopf auf das Kissen.
    Einen kurzen Augenblick lang flackerte im Lichtkegel der Taschenlampe ein grauenvolles Bild auf: Eine Handbreit von Carnarvons linker Wange entfernt lauerte ein Skorpion, den Schwanz mit dem Stachel auf den vermeintlichen Feind gerichtet, während sich die vier Beinpaare träge hin und her bewegten, als warteten sie auf ein geheimes Zeichen zum Angriff.
    Die Lampe verlosch, und der schwarzvermummte Mann entfernte sich lautlos, wie er gekommen war, durch das Fenster. Bedächtig um sich blickend, ob niemand seine Fassadenkletterei bemerkte, tastete er sich auf dem Sims des Hochparterres zurück bis zum Hintereingang, und humpelnd verschwand er zwischen den Büschen des Parks.
    Nach wenigen Minuten hörte man aus dem Hotel einen kurzen, heftigen Schrei. Dann war es wieder still.
     
     
    Obwohl Howard Carter nur ein paar Türen weiter schlief, bekam er von dem nächtlichen Zwischenfall nichts mit. Als er am Morgen sein

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