Der König von Luxor
Seefahrt verlor und darüber, daß England die einzig wahre Seefahrernation der Welt sei.
Carter hatte alle Mühe, Phyllis zu beruhigen, daß die »Berengaria« trotz Alkoholkonsums ihres Kapitäns durchaus sicher nach Amerika gelangen würde, weil in einem Fall wie diesem ein anderer seine nautischen Aufgaben übernähme. Im übrigen verfügten Seefahrer über eine Fähigkeit, welche gemeinen Landratten, Ausgräbern und Agenten abgehe, sie würden bei Gefahr von einem Augenblick zum anderen nüchtern.
Phyllis, selbst nicht ohne Anzeichen unmäßigen Alkoholkonsums, gab sich mit Howards Erklärung zufrieden.
Der war ebenfalls nicht mehr ganz nüchtern, jedenfalls traute er seinen Augen nicht, als Phyllis, kaum hatten sie ihre Suite betreten, die sich, neben einem Badezimmer mit deutsch beschrifteten Armaturen, aus einem Salon in der Mitte und zwei Schlafzimmern zu beiden Seiten zusammensetzte, plötzlich nackt vor ihm stand bis auf ein paar zierliche Schuhe und von Strumpfbändern gehaltenen Seidenstrümpfe. Zwar war ihr ebenmäßiger Körper, der sich durch zierliche Hüften und apfelförmige Brüste auszeichnete, durchaus geeignet, selbst die in gewisser Hinsicht abgestumpften Sinne eines Ausgräbers zu verwirren, aber noch während er den aufregenden Anblick wollüstig in sich aufsog, kam ihm die erwähnte Seefahrerfähigkeit zu Bewußtsein, und ernüchtert, als hätte er sich einen Eimer kalten Wassers über den Kopf gestülpt, herrschte er seine Nichte an: »Phyllis, was soll das?«
Im Bewußtsein ihrer anziehenden Nacktheit näherte sich das Mädchen Howard mit ausgestreckten Armen und sagte: »Howard, du bist doch ein Mann!«
Phyllis’ frivoles Selbstbewußtsein irritierte Carter zunächst, aber schon einen Augenblick später hatte er sich wieder in der Gewalt, und er antwortete in barschem Ton: »Gewiß, aber du bist meine Nichte, die Tochter meiner Schwester!«
»Ja und?« fragte Phyllis fordernd, »gefalle ich dir deshalb weniger? Charles Darwin heiratete seine Cousine!«
Nicht ohne Wohlgefallen betrachtete Howard das nackte Mädchen von Kopf bis Fuß. Dann erwiderte er: »Mit Gefallen hat das nichts zu tun. Eher mit Moral. Und was Darwin betrifft, liegt zwischen Cousine und Nichte ein ganzer Verwandtschaftsgrad.«
Phyllis ließ sich nicht abweisen, sie schlang ihre weißen Arme um Howards Nacken und schmiegte sich mit ihrem warmen Körper zärtlich an ihn. Carter ließ sie gewähren, ein paar verbotene Augenblicke genoß er sogar die dargebotene Sinnlichkeit, doch dann ergriff er sie an den Handgelenken, drängte sie durch die Türe ihrer Schlafkabine und drückte sie auf ihr aufgeschlagenes Bett. »Phyllis«, sagte er ernst, »tu so etwas nie wieder, hörst du?«
»Aber ich liebe dich, Howard!«
»Ich liebe dich auch, Prinzessin; aber vermutlich haben wir beide eine unterschiedliche Vorstellung von Liebe. Wir müssen uns nun einmal damit abfinden, daß Moral und Gesetze unserer Zuneigung entgegenstehen.«
»Selbst Kapitän Reynolds glaubte, ich sei deine Frau!«
»Reynolds! Der Kapitän ist nicht das Gesetz und im übrigen ein rechter Trunkenbold. Das hat nichts zu sagen. Dennoch – wären wir uns zufällig und ohne verwandtschaftliche Bindung begegnet, dann…«
»Dann?«
Howard schwieg. Er wagte den Gedanken nicht auszusprechen, weil er sich mit Phyllis’ Gedanken kreuzte.
»Dann?« wiederholte Phyllis ihre Frage, ohne auf eine Antwort zu hoffen. Leise begann sie zu weinen.
Am nächsten Morgen, die »Berengaria« dampfte mit voller Fahrt südwestlich von Irland auf 50 Grad nördlicher Breite und 10 Grad westlicher Länge, zog Phyllis es vor, in ihrer Kabine zu frühstücken. Auf Howards Frage, ob sie krank sei, erwiderte sie, nein, sie sei nur traurig. Ein klarer, wolkenloser Himmel, der nichts von dem widrigen Wetter ahnen ließ, das der Kapitän vorhergesagt hatte, ermutigte Carter, sich in einem Liegestuhl auf dem Sonnendeck niederzulassen und sich mit seinem Vortragsmanuskript zu befassen, das er inzwischen zu Papier gebracht hatte. Was ihm die meisten Schwierigkeiten bereitete, war die Vorstellung, ein- oder zweitausend Menschen eine oder zwei Stunden so zu fesseln, daß sie nicht davonrannten. Nicht der Inhalt seiner Rede schürte die Bedenken, sondern die Vortragsform, Armbewegungen und Mienenspiel. Beide bedurften, nach Auffassung Keedicks, noch gewisser Korrekturen.
Während Carter mit theatralischen Gesten seine Rede übte, wurde er von einem Passagier im Liegestuhl
Weitere Kostenlose Bücher