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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Carter fürchtete die Hitze des Tages, zumal er für die Reise, um bei seiner Lordschaft guten Eindruck zu machen, seinen besten und einzigen Anzug angezogen hatte. Gegen sieben Uhr morgens bestieg Howard sein Fahrrad, auf dem Gepäckträger eine Mappe mit seinen besten Zeichnungen.
    Der Weg nach Didlington Hall, zehn Meilen südlich von Swaffham nahe dem Dorf Brandon gelegen, war unter normalen Bedingungen schon beschwerlich genug, weil die Straße häufig bergauf-bergab ging; aber an diesem Tag trieb es Carter den Schweiß aus allen Poren. Als er bei Mundford den Thetford Forest erreichte, entledigte er sich seines Sakkos und hängte das naßgeschwitzte Hemd über die Lenkstange. Nur ein Verrückter, dachte er bei sich, strampelt bei dieser Gluthitze zehn Meilen durch Norfolk.
    Im dichten Wald und mit nacktem Oberkörper wurde die Schwüle erträglicher. Howard hatte sich wohlgesetzte Worte bereitgelegt, um Lord Amherst für sich einzunehmen. Diese versuchte er jetzt zu rekapitulieren, aber alle seine Gedanken wurden überlagert von dem Ereignis der vergangenen Tage. Während die Bäume zu beiden Seiten der Straße wie Schemen an ihm vorbeiflogen, sah Carter das Bild von Sarah Jones vor sich. Er glaubte, während er in die Pedale trat, ihren Körper unter sich zu spüren. Dabei quälte ihn der Gedanke, daß er sie für mehrere Tage entbehren sollte.
    Vor Didlington Hall angelangt, einem breitflächigen Landsitz aus Backstein umgeben von einer großzügigen Parklandschaft, lehnte er sein Fahrrad an einen Nußbaum, um sich in dem Weiher unmittelbar vor dem Eingang den Schweiß vom Körper zu waschen. Seerosen schwammen auf dem tiefgrünen Teich, und Howard schaufelte sich mit beiden Händen kühlendes Wasser ins Gesicht. Dann zog er sich seine Kleider über und schob sein Fahrrad bis zum Eingang.
    Carter hatte kaum den Klingelzug betätigt, als ein livrierter Butler mit weißen Handschuhen und strenger Miene öffnete und mürrisch fragte: »Sie wünschen, Sir?«
    »Mein Name ist Howard Carter. Ich bin mit Lord Amherst verabredet.« Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, da erkannte er in dem Butler den Kutscher. »Sie kennen mich ja«, fügte er hinzu.
    »Sehr wohl«, antwortete der Diener unbeeindruckt, »aber bitte durch den Dienstboteneingang.« Dabei machte er mit dem rechten Daumen eine flüchtige Bewegung, er solle sich hinter das Haus begeben.
    Howard warf dem Butler einen verachtenden Blick zu, weil er ihn, noch bevor er sich mit dem Lord geeinigt hatte, wie einen Dienstboten behandelte, während Amherst ihn – daran erinnerte er sich gut, stets mit »junger Herr« angeredet hatte, aber dann kam er der unfreundlichen Aufforderung nach und begab sich mit der Zeichenmappe unter dem Arm zum Hintereingang.
    Anders als der Vordereingang, der von Efeu eingerahmt war, das bis zum obersten Stockwerk reichte, führten am Hintereingang vier Stufen nach unten zum Küchengewölbe, wo Kisten und Flaschen und große Töpfe gestapelt standen. Eine dicke Köchin, die ihre Haare unter einem um die Stirn gebundenen Kopftuch verbarg, musterte ihn mit unverhohlenem Mißtrauen und hielt ihn wohl für einen neuen Diener, jedenfalls stemmte sie beide Fäuste in die Hüften und knurrte: »Mach dir bloß keine falschen Hoffnungen! Mehr als zehn Shilling sind in Didlington Hall nicht drin, auch nicht für so feine Leute wie dich!« Und während sie das sagte, wanderte ihr Blick von Howards Scheitel bis zu den Füßen und wieder zurück.
    Carter nickte freundlich, denn er wollte es sich nicht gleich am ersten Tag mit dem Personal verderben, vor allem nicht mit der Köchin. Kate hatte ihn oft ermahnt, in einem fremden Haus dürfe man es sich mit jedem verderben, nur nicht mit der Köchin.
    »Seine Lordschaft lassen bitten!« Carter vernahm Arthurs mahnende Stimme hinter sich und folgte dem Butler schweigend.
    Die Kühle im Inneren des Herrenhauses tat wohl. Didlington Hall strahlte nicht die Unnahbarkeit eines Landsitzes wie Oxburgh Hall aus, das turmbewehrt und von einem Wassergraben umgeben war, nein, Didlington Hall hatte im Laufe seiner langen Geschichte zahlreiche Um- und Anbauten erfahren und war in seinem Inneren so verwinkelt, daß sich ein Fremder verlaufen konnte.
    Was die Einrichtung des Hauses betraf, so stand das Anwesen der Amhersts vergleichbaren Landhäusern in keiner Weise nach. Die Wände der großen Räume waren walnußgetäfelt und mit kostbaren Gobelins und Gemälden behangen. Das Mobiliar stammte aus allen Epochen

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