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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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nennst. Wie heißt du?«
    »Howard.«
    »Also gut, Howard. Zahlt mein Vater dir zu wenig? Er ist ein Geizhals, mußt du wissen. Alle reichen Leute sind geizig. Das ist der Grund ihres Reichtums. Du kannst darauf warten, bis er sein Angebot verdoppelt.«
    Das zierliche Mädchen schien ganz schön vorlaut und naseweis für sein Alter. Wenn er Alicia so von der Seite ansah, war sie eher eigenwillig als hübsch, viel kleiner als Howard, aber von aufrechter Haltung, und ihre kräftigen rötlichblonden Haare, die an den Seiten aufgerollt waren, leuchteten in der Sonne.
    »Es ist nicht wegen des Geldes«, meinte er schließlich, und erklärend fügte er hinzu: »Ich müßte mich hier am Ort niederlassen.«
    Mit den Händen schaufelte sich Alicia Wasser ins Gesicht und genoß, wie das kühle Naß über ihren Hals herab in ihre Kleidung rann.
    »Was ist so faszinierend an Swaffham?« fragte Alicia mit großen Augen. »Ich meine, wenn du aus Cambridge kämst oder aus London, könnte ich dich ja verstehen, aber aus Swaffham. Oder ist es eine kleine Freundin, die dich zurückhält, ja, ich hab’s erraten!«
    »Nein, nein!« beeilte sich Howard zu beteuern. »Das ist es nicht.« Und wie so oft in Augenblicken der Bedrängnis fiel ihm die passende Antwort ein: »Man hat eben nur eine Heimat. Würdest du von einem Tag auf den anderen Didlington Hall verlassen?«
    Alicia faltete lachend die Hände, verdrehte die Augen gen Himmel und rief: »Lieber heute als morgen. Die Vorstellung, hier mein Leben zu beschließen, macht mich trübsinnig. Ich hasse diese Großfamilien auf englischen Landsitzen, wo sich Kinder, Eltern, Großeltern und manchmal noch die Urgroßeltern auf die Nerven gehen und sich gegenseitig die Erbschaft streitig machen. Bei den Menschen sollte es sein wie bei den Vögeln. Die werfen ihre Jungen, sobald sie flügge sind, einfach aus dem Nest.«
    Carter hörte Alicia aufmerksam zu. »Und warum bist du dann noch hier?«
    »Eine gute Frage, aber die Antwort ist ebenso einfach: Weil mich mein Vater nicht gehen läßt. Er vertritt die altmodische Ansicht, ein Mädchen von Stand dürfe das Haus nicht vor dem einundzwanzigsten Lebensjahr verlassen, es sei denn in den Armen eines Ehemannes. Jedenfalls weigert er sich, mir vor dem einundzwanzigsten Geburtstag meinen Erbteil auszuzahlen. Viel bleibt mir ohnehin nicht. Ich bin die jüngste von fünf Schwestern.«
    »Soll ich dich bedauern, Alicia?«
    »Aber nein! Ich wollte nur erklären, wie unterschiedlich Menschen an ihrer Heimat hängen. Trotzdem solltest du dir das Angebot meines Vaters noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Was willst du einmal werden?«
    »Ich bin Tiermaler«, erklärte Carter selbstbewußt.
    »Ich dachte, du gingst noch zur Schule!«
    »Stimmt. Bis gestern. Seit heute bin ich Tiermaler im Hauptberuf.« Er zog eine selbstgezeichnete Visitenkarte aus der Hosentasche und reichte sie Alicia. Darauf stand in edler Schreibschrift: Howard Carter, Animal painter, Swaffham.
    Die Karte blieb bei Alicia nicht ohne Wirkung. Dennoch wagte sie die Frage: »Und davon kann man leben?«
    Howard lachte verschmitzt und antwortete weltmännisch: »Ach Gott, wenn man sich einschränkt…«
    »Trotzdem fände ich es gut, wenn du nach Didlington Hall kämst. Weißt du, manchmal fühlt man sich hier wie in einem Altersheim, lauter Greise.«
    »Und Newberry, der ist doch kein alter Mann!«
    »Nein, ist er nicht; aber ich mag ihn nicht leiden.«
    »Und aus welchem Grund?«
    »Er ist fünfundzwanzig, gerade sieben Jahre älter als ich. Aber wenn er redet, glaubt man, einen Methusalem vor sich zu haben. Newberry hat nur seine Hieroglyphen im Kopf, genau wie mein Vater. Bloß ist der fast vierzig Jahre älter.«
    »Du hast es nicht gerne, wenn dein Vater sich mit Ägyptologie beschäftigt?«
    »Ach was, Papa kann tun, wozu er Lust hat, solange seine Familie dabei nicht zu kurz kommt.«
    Howard hielt die Hand über die Augen und blinzelte in Richtung auf das alte Gemäuer von Didlington Hall. »Du fühlst dich vernachlässigt, habe ich recht?«
    Alicia hob die Schultern. »Nicht nur ich, vor allem meine Mutter. Meine Eltern sind seit fünfunddreißig Jahren verheiratet. Kannst du dir das vorstellen, Howard? Mir kommt es so vor, als flüchtete sich Papa mit seiner Sammelleidenschaft in eine andere Welt. Didlington Hall ist vollgestopft mit altem Krempel aus den entlegensten Teilen der Welt. Ich sehe keinen Sinn darin, das Haus mit einem vertrockneten ägyptischen König zu

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