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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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nennen sie das. Welch eine Zeit! Es wird noch soweit kommen, daß Frauen wählen wollen. Kurz und gut, ich biete Ihnen an, gegen festen Lohn als Zeichner für mich zu arbeiten. Für den Anfang biete ich Ihnen fünfzehn Shilling die Woche, später mehr. Dazu freie Kost und Logis.«
    Fünfzehn Shilling die Woche? Das sind drei Pfund im Monat sicheres Einkommen! Kein schlechtes Angebot, dachte Carter bei sich. Schließlich hatte er gerade erst die Schule hinter sich. Da traf ihn der Gedanke wie ein Blitz: Das würde bedeuten, daß er Swaffham verlassen mußte! Nun war Swaffham nicht der Ort, der einen jungen Mann wie Howard ein Leben lang festhält, aber da war Sarah Jones, und die Vorstellung, zehn Meilen von ihr entfernt zu leben, erschien Howard unerträglich.
    »Nein«, erwiderte Carter, ohne lange nachzudenken. »Ihr Angebot ist sehr großzügig, Mylord. Betrachten Sie es bitte nicht als undankbar, wenn ich es dennoch nicht annehme. Ich würde lieber in Swaffham bleiben – bei meinen Tanten«, fügte er noch hinzu.
    Amherst und Newberry sahen sich verdutzt an. Sie hatten beide Carters Ablehnung nicht erwartet, schon gar nicht der Lord. Und Howard glaubte sogar eine senkrechte Zornesfalte auf seiner Stirn zu erkennen.
    »Das ist sicher nicht Ihr letztes Wort«, meinte Lord Amherst, der Widerspruch nicht gewohnt war. »Also gut, junger Freund, ich erhöhe mein Angebot auf zwanzig Shilling die Woche. Das ist mein letztes Wort, mein allerletztes!«
    Vier Pfund im Monat? Carter verstand die Welt nicht mehr. Das war beinahe soviel, wie sein Vater als Illustrator für die Illustrated London News verdiente, und der war ein Künstler. Der Gedanke an Sarah Jones, die dann zehn Meilen von ihm entfernt leben würde, verwirrte ihn so sehr, daß er nur hilflos den Kopf schüttelte. Schließlich meinte er, um Amherst nicht allzusehr zu enttäuschen: »Mylord, ich könnte Ihre Aufträge doch auch in Swaffham erledigen. Wenn ich Sie recht verstehe, geht es darum, Kunstobjekte und Inschriften zu kopieren oder zu vervielfältigen.«
    Da lachte der Lord, aber sein Lachen klang künstlich und aufgesetzt, beinahe mitleidig. »Wie stellen Sie sich das vor, junger Freund? Wollen Sie meine Kunstschätze auf dem Fahrrad nach Swaffham und zurück transportieren? Sie scheinen den Wert dieser Dinge zu verkennen. Hier, dieser Papyrus« – er pochte mit der geballten Faust auf den Tisch – »ist über dreitausend Jahre alt, und ich habe tausend Pfund dafür ausgegeben. Tausend Pfund! Ich schlage vor, Sie lassen sich mein Angebot noch einmal durch den Kopf gehen. Dafür gebe ich Ihnen eine Woche Zeit.«
    Lord Amherst reichte Howard die Mappe mit seinen Zeichnungen zurück, und Mr. Newberry gab ihm die Hand. Als hätte man ihn gerufen, tauchte Albert, der Butler, in der Tür auf, um Carter auf dem selben Weg, wie er gekommen war, hinauszugeleiten. Howard kam es vor, als habe Albert gelauscht, denn seine mürrische Miene schien nun noch mürrischer. Da wurde ihm klar, sollte er jemals für Lord Amherst arbeiten, würde ihm ein Feind sicher sein.
    Draußen herrschte brütende Mittagshitze, und Howard entledigte sich seiner schweißtreibenden Oberkleidung, um sie auf dem Gepäckträger seines Fahrrades zu verstauen. An einem nahen Brunnen machte er halt, um aus der hohlen Hand Wasser zu trinken. Da nahm er einen Schatten wahr. Er drehte sich um und erkannte die Tochter Lord Amhersts, die bei dem Unfall mit ihrem Vater in der Kutsche gesessen hatte. Sie trug einen weiten Matrosenanzug, dessen Beinkleider an den Waden endeten, und eine große blaurote Schleife vor der Brust. Das Mädchen war barfuß.
    »He, du bist doch der Junge, den unser Kutscher zusammengefahren hat. Ich bin Alicia!« Dabei streckte sie Howard ihre Hand entgegen.
    Für den kam die Begegnung so unerwartet, daß es ihm die Sprache verschlug. Er drückte schweigend ihre Hand und nickte verlegen mit dem Kopf.
    »Und?« fragte das Mädchen. »Hat dir mein Vater eine Stelle angeboten?«
    »Ja«, erwiderte Carter kleinlaut.
    »Und hast du zugesagt?«
    »Nein.«
    Da tauchte Alicia ihre Hand in den Brunnen, schöpfte Wasser und spritzte Howard ins Gesicht.
    »Du redest wohl nicht gerne?« rief sie lachend, und mit Vergnügen beobachtete sie, wie sich Howard die Wassertropfen aus dem Gesicht wischte.
    »Entschuldigen Sie, Miss Alicia, ich bin etwas durcheinander wegen der Unterredung mit Ihrem Vater.«
    »Miss Alicia«, äffte sie Howard nach. »Ich möchte, daß du mich beim Vornamen

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