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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Statt dessen meinte er: »Wie kommst du auf den Namen ›Mister Peabody‹?«
    Alicia kicherte in sich hinein: »Mein Vater darf nicht wissen, daß ich ihn Mr. Peabody nenne. Er fordert Respekt vor dem Alter der Mumie. Dabei sieht er wirklich aus wie eine getrocknete Erbse.«
    Und als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, trat Alicia hinzu, reichte Howard die Lampe und hob die Kopfseite des Sargdeckels hoch. Vorsichtig schob sie diesen zur Seite. Aus dem Innern blickte ihnen ein vertrockneter, mumifizierter Schädel entgegen. Weit weniger ansehnlich als die kunstvolle Sarghülle umspannte lederartige, schwarzbraune Haut den knochigen Schädel. Die Haare waren kraus und flachgequetscht, die Augen in den Höhlen eingetrocknet und tot.
    »Mein Vater und Newberry rätseln seit Jahren herum, wie er wohl heißen könnte, aber die Hieroglyphen geben keine Auskunft. Newberry meint, es sei ein Beamter vom Hof eines Pharaos. Meinem Vater wäre es lieber, wenn er einen ägyptischen König im Keller hätte. Mir ist das egal, für mich ist es Mr. Peabody.«
    Mit Howards Unterstützung rückte sie den Deckel zurecht, dann nahm sie ihm die Petroleumlampe aus der Hand. Schweigend machten sie sich auf den Rückweg.
    Carter empfand die Hitze als wohltuend, als sie aus dem Haus ins Freie traten. »Sag mal«, erkundigte er sich nachdenklich, »wie kam Mr. Peabody eigentlich hierher?«
    Alicia hob die Schultern: »Das kann ich dir auch nicht beantworten. Mr. Peabody weilte schon lange unter uns, als Papa meine Mutter und uns Kinder von ihm in Kenntnis setzte. Angeblich gelangte er auf dem Seeweg über Ipswich nach Didlington Hall. Über die näheren Umstände schweigt sich Papa aus. Ehrlich gesagt interessieren sie mich auch nicht besonders. Würdest du dir Mr. Peabody in den Keller stellen?«
    »Nein!« erwiderte Howard ohne nachzudenken. Dabei verschwieg er, daß ihn der Gedanke, Mr. Peabodys Vergangenheit zu ergründen, ungemein faszinierte.
    Längst hatte die Sonne den Zenit überschritten, als Carter sich von Alicia verabschiedete. Er hielt noch einmal den Kopf unter das Brunnenrohr und trank aus der hohlen Hand, dann schwang er sich auf sein Fahrrad.
    Bevor er auf die Straße nach Brandon einbog, drehte er sich noch einmal um und sah, wie Alicia winkte. Aber Howard tat so, als hätte er es nicht bemerkt.
    In dem Waldstück von Cockleycley, eine Meile südlich von Swaffham, wo die Straße leicht abfällt und Carter sich den warmen Fahrtwind um die Nase wehen ließ, kam ihm eine junge Frau auf dem Fahrrad entgegen. Ihr Fahrstil wirkte unsicher. Howard glaubte von weitem Miss Jones zu erkennen, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Den ganzen langen Weg hatte er nur an Sarah gedacht, da war es nicht ungewöhnlich, wenn die Sinne verrückt spielten.
    Beinahe wäre er an der Frau auf dem Fahrrad vorbeigefahren, als er Sarahs Stimme vernahm.
    »Miss Jones?« rief Howard irritiert und schüttelte den Kopf.
    »Wenn du mich so nennen willst«, lachte Sarah augenzwinkernd. »Ich sagte schon einmal, ich heiße Sarah.«
    »Ja, Miss Jones«, erwiderte Carter, und nach einer Pause, in der beide sich staunend ansahen, fragte er: »Seit wann fahren Sie Velociped, Miss Jones?«
    »Seit heute«, entgegnete Sarah, »ich glaube, man merkt das auch.«
    »Ehrlich gesagt, ja«, Carter lachte, »aber das wird schon werden.«
    Beide lehnten ihre Fahrräder an einen Nadelbaum am Waldrand, dann traten sie aufeinander zu und, als verspürten beide das gleiche Bedürfnis, fielen sie sich in die Arme.
    »Miss Jones«, stammelte Carter leise, »ich habe den ganzen Weg nach Didlington Hall und zurück nur Sie im Kopf gehabt.«
    Sarah nahm Howards Kopf in beide Hände und zog ihn zu sich herab, dann küßte sie ihn auf den Mund. »Mir ging es nicht anders, Howard. Ich hatte gehofft, ein paar Tage ohne dich würden mich wieder zu Verstand bringen; aber du siehst ja, was daraus geworden ist. Ich habe mir ein Fahrrad zugelegt.«
    »Wegen mir?«
    Sarah blickte verschämt zu Boden. »Ich dachte, wir könnten zusammen Ausflüge in die Umgebung machen, wo man uns nicht kennt. Seit vielen Jahren gab es keinen so schönen Sommer.«
    »Sie meinen Sie und ich?«
    »Es ist dir wohl unangenehm mit einer älteren Dame, noch dazu deiner ehemaligen Lehrerin, eine Tour auf dem Velociped zu unternehmen?«
    Howard legte seine Hand auf Sarahs Mund, damit sie schwieg. »Ich wüßte nichts Angenehmeres«, sagte er und preßte sie an sich, bis Sarah leise aufschrie:

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