Der König von Luxor
Musikers, ist nun einmal nicht Windsor Castle.«
Sarah hob beschwichtigend die Hände und kam ohne Umschweife auf den Grund ihres unerwarteten Besuchs zu sprechen: »Sie sagten einmal, Charles, Sie seien immer für mich da, wenn ich einen Rat brauchte.«
»Ja, das sagte ich.« Chambers schob seinen Klavierhocker näher an die Besucherin heran. Es gab keine Sitzgelegenheit außer den Stuhl, auf dem Sarah Platz genommen hatte. Dann setzte er sich, und während er sich mit den Händen aufstützte, fragte er: »Es ist doch nichts Unangenehmes?«
Sarah Jones wiegte den Kopf hin und her. »Ich bin da ohne mein Zutun in eine Sache hineingeraten, die mich nicht mehr schlafen läßt. Bevor ich Ihnen jedoch sage, worum es sich handelt, müssen Sie mir Ihr Ehrenwort geben, niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen zu erzählen!«
»Ich schwöre es, Miss Jones. Vertrauen Sie mir.«
Einen kurzen Augenblick zögerte sie, ob sie sich Chambers ohne Vorbehalte anvertrauen konnte. Aber dann brach es aus ihr heraus, und sie berichtete von der Entdeckung des Kabinetts hinter der Bibliothek und seinem wundersamen Inhalt. Als sie auf die Aphrodite- Statue zusprechen kam, hielt sie kurz inne, als wollte sie es sich noch einmal überlegen. Aber dann berichtete sie die ganze Wahrheit, daß es sich bei dem Kunstwerk um Diebesgut handelte und daß ein gewisser Marvin, dessen Vater die Statue dem Baron einst verkauft hatte, versucht habe, sie wieder in seinen Besitz zu bringen. Er habe sie regelrecht erpreßt. Über die näheren Umstände der Erpressung schwieg sich Sarah jedoch aus. Marvin, so erzählte sie weiter, sei schließlich aufgrund eines anderen Verbrechens verhaftet worden. Darauf sei Inspektor Grenfell bei ihr erschienen und habe nach Reichtümern geforscht. Als er erfolglos blieb, habe er sich unverrichteter Dinge zurückgezogen.
»Mit Verlaub!« Chambers schüttelte den Kopf, als könnte er das eben Gehörte nicht glauben: »Das klingt wie eine Geschichte von Conan Doyle, und der läßt keinen Zweifel, daß er jede Zeile seiner Romane erfunden hat. Ist das alles wahr?«
»So wie ich es erzählt habe. Warum sollte ich lügen?«
Chambers legte die gefalteten Hände vor den Mund und dachte nach. Dann stellte er Sarah die Frage: »Dieser Inspektor – wie war sein Name? – «
»Grenfell.«
»Dieser Inspektor Grenfell, hat er Sie nicht nach der Statue gefragt? Ich meine, er kam doch nicht zufällig vorbei. Sein Besuch mußte doch einen Grund haben, und wenn er wußte, daß die Statue sich in Ihrem Besitz befindet, dann wäre es doch seine Aufgabe gewesen, ihre Herausgabe zu fordern!«
Sarah Jones nickte stumm. Schließlich erwiderte sie: »Grenfell behauptete, mein Name sei auf einer Liste verzeichnet gewesen.« Sie drehte nervös am mittleren Knopf ihrer Bluse.
»Das wäre natürlich denkbar. Dann hätte Grenfells Besuch eine ganz einfache Erklärung. Jedenfalls haben Sie dem Inspektor keine Andeutung gemacht?«
»Nicht die geringste! Ich war in Panik und fürchtete, man könnte mir vorwerfen, mit dem Gauner gemeinsame Sache gemacht zu haben.«
»Der Gedanke ist nicht ganz falsch. Dennoch sollten Sie vor der Polizei ein Geständnis ablegen. Sie können doch nichts für das Erbe. Kein Mensch kann Ihnen zum Vorwurf machen, daß sich Diebesgut in Ihrem Erbe befindet. Jedenfalls dann nicht, wenn Sie es freiwillig herausgeben. Aber wenn Sie es wissentlich zurückhalten, wächst Ihre Schuld von Tag zu Tag.«
»Wenn Sie meinen, Charles.« Sarah blickte verschämt zu Boden. Chambers hatte recht. Das war auch ihre Meinung von Anfang an. Sie hatte nur nicht gewagt, sich das einzugestehen.
»Und von der Existenz dieses Kabinetts haben Sie nichts gewußt?« begann Chambers von neuem. »Wie haben Sie es entdeckt?«
»Das war nicht mein Verdienst! Howard Carter entdeckte die Geheimtüre in der Bibliothek. Um sie zu öffnen, bedarf es einiger Geschicklichkeit.«
»Carter? Dieser verhinderte Flugpionier?«
»Eben dieser«, sagte Sarah ernst. »Ich habe ihm erlaubt, nach Büchern über die Kunst des Fliegens zu suchen. Er verbrachte ganze Nachmittage mit den Büchern. Und eines Tages stieß er auf das Geheimnis.«
»Sie verhalten sich sehr großzügig gegenüber dem jungen Mann«, bemerkte Chambers mit einem höhnischen Unterton, den Sarah an Charles überhaupt nicht kannte. Sie wollte ihn deshalb maßregeln, doch es kam anders.
In ihrer Aufregung drehte sie am Perlmuttknopf ihrer Bluse so heftig, daß dieser absprang, auf den
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