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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Lady Margaret zu Blutarmut neigte, aber in diesem Fall durchaus glaubhaft erschien, zählte doch die Aphrodite zu den Lieblingsstücken der Sammlung ihres Mannes.
    »Es ist ein Wunder, es ist ein Wunder!« rief Margaret immer wieder und schlug dabei kopfschüttelnd beide Hände zusammen. Und an die fremde Besucherin gewandt: »Sie nehmen doch den Tee mit uns, während Sie uns Ihre Geschichte erzählen?«
    Sarah Jones willigte ein: »Sehr gerne, Mylady, es darf nur nicht zu spät werden. Ich muß das Gespann vor Einbruch der Nacht zurückgeben, sonst wird sein Besitzer unruhig.«
    Und dann begann Miss Jones zu erzählen, wie sie das Erbe der Baronin von Schell übernommen und eines Tages eine Kammer entdeckt habe, in der sich neben vielen anderen Kunstobjekten die Marmorstatue befand. Dabei sei ihr Howard Carter behilflich gewesen, einer ihrer ehemaligen Schüler. Carter habe aus den vorhandenen Dokumenten ermittelt, daß es sich bei der Statue um Diebesgut eines polizeilich gesuchten Hehlers handelte, und eine alte Zeitung, die sich unter den Dokumenten befand, habe ihn sogar auf die Spur des rechtmäßigen Besitzers gebracht.
    »Ein Teufelskerl, dieser Carter!« bemerkte Lord Amherst anerkennend.
    Und Lady Margaret pflichtete ihm bei: »Wirklich großartig, der junge Mann! Manchmal wünschte ich, wir hätten einen Sohn wie ihn.«
    Sarah Jones brachte ihre Geschichte zu Ende und betonte, Carter habe ihr schon viel früher geraten, sich Lord Amherst anzuvertrauen. Aber sie habe Bedenken gehabt, man könnte sie in Verbindung mit dem Kunstraub bringen. Und dann fragte sie unverblümt: »Wo ist überhaupt Howard Carter? Er arbeitet doch für Sie?«
    »Oh, das tut mir leid, Miss Jones«, antwortete Lord Amherst. »Mr. Carter ist nach Swaffham gefahren. Er ließ durchblicken, er habe dort eine wichtige Angelegenheit zu regeln.«
    »Ein wichtige Angelegenheit?« Plötzlich fühlte Sarah, wie das Blut in ihren Schläfen pochte. Der Brief, den sie wenige Stunden zuvor von ihm erhalten hatte, machte sie besorgt. Wußte sie, was in dem Kopf des Jungen vorging?
    Ihre scheinbare Ruhe und Gelassenheit, mit der sie noch kurz zuvor aufgetreten war und Lord und Lady Amherst für sich eingenommen hatte, war dahin. Unübersehbar begannen ihre Hände zu zittern, sie machte fahrige Bewegungen, stieß ihre Teetasse um und stammelte eine Entschuldigung. Abrupt meinte sie: »Damit darf ich mich verabschieden. Vor mir liegen noch zehn Meilen Landstraße.« Sie erhob sich.
    »Aber wir haben uns noch gar nicht darüber unterhalten, wem die Belohnung zusteht«, bemerkte der Lord, während Sarah bereits Anstalten machte zu gehen. »Ihnen oder Howard Carter?«
    Sarah Jones winkte ab. »Mir bestimmt nicht!« Sie lachte. Doch dieses Mal klang ihr Lachen aufgesetzt und anders als zuvor. Man merkte ihr die Unruhe an, die sie plötzlich erfaßt hatte.
    Hastig bestieg sie ihren Wagen und preschte davon.
    Lord und Lady Amherst sahen ihr mit Verwunderung nach.
    Auf halbem Wege, nicht weit entfernt von jener Stelle im Thetford Forest, wo sie sich schon einmal, aber in entgegengesetzter Richtung begegnet waren, kam Howard Sarah Jones auf seinem Fahrrad entgegen.
    Sarah mußte alle Kraft aufbieten, um die Pferde auf kurzem Weg zum Stehen zu bringen.
    Entweder erkannte er Sarah nicht in ihrer ungewöhnlichen Haltung auf dem Kutschbock, oder er hatte vor, sich an dem entgegenkommenden Fuhrwerk vorbeizustehlen, als würde er sie nicht erkennen, jedenfalls hielt Carter den Blick starr geradeaus gerichtet, und er wäre vorbeigefahren, hätte Sarah sich ihm nicht nach einem waghalsigen Sprung vom Wagen mit ausgebreiteten Armen in den Weg gestellt.
    Carter machte einen abwesenden Eindruck und stotterte verlegen:
    »Miss Jones! Eigentlich wollte ich Sie nie mehr wiedersehen.« Seine Stimme klang zaghaft, und mit gesenktem Blick klammerte er sich an den Lenker seines Velocipeds.
    Sarah schwieg und sah ihn nur an, in der Erwartung, er würde ihren Blick erwidern. Statt dessen machte Carter einen Satz, schwang sich auf sein Fahrrad und machte Anstalten, zu fliehen wie ein Lump, der bei einem Diebstahl ertappt wurde. Sarah bekam gerade noch seinen Rockschoß zu fassen und hielt ihn fest.
    War es Wut oder sein lächerliches Verhalten, das Howard mit einem Mal zu Bewußtsein kam – als er von seinem Fahrrad abstieg, lächelte er verlegen. Sarah, noch immer schweigsam, nahm das Velociped und lehnte es an einen Baum am Straßenrand; dann kehrte sie zu Howard zurück und

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