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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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zog ihn in ihre Arme.
    Schluchzend verbarg Carter sein Gesicht an ihrem Hals, während Sarah seinen Rücken streichelte. Zärtlich aneinandergeschmiegt standen sie endlos lange am Straßenrand, und keiner wagte das Wort zu ergreifen. Howard genierte sich, doch Sarah war eine kluge Frau, sie wußte, daß es Situationen gibt, in denen Schweigen mehr Heilung verspricht als tröstende Worte.
    »Miss Jones«, begann Carter, nachdem er sich etwas beruhigt hatte, »haben Sie meinen Brief erhalten?«
    »Ja, Howard, der Postmann brachte ihn heute morgen.«
    »Aber warum respektieren Sie nicht, was ich Ihnen geschrieben habe?«
    »Das tue ich doch, Howard!«
    »Tun Sie nicht!«
    »Doch, Howard. Ich komme gerade aus Didlington Hall.« Howard sah ihr zum ersten Mal ins Gesicht. »Ja, ich habe die Statue bei Lord Amherst abgeliefert. Ich ließ ihn im übrigen wissen, daß du es warst, der mich dazu aufgefordert hat.«
    Sarahs Eröffnung machte Carter für einen Augenblick sprachlos. Schließlich meinte er ungläubig: »Sie waren wirklich in Didlington Hall. Ist das wahr?«
    »Ich wüßte keinen Grund, dich zu belügen. Der Lord und Lady Amherst sind besorgt, wo du so lange bleibst.«
    »Und wie hat der Lord reagiert? Ich meine, gab es ein Anzeichen, daß er die Figur auf meiner Zeichnung erkannt hat?«
    »Ich glaube nicht. Lord Amherst war so überrascht, daß es ihm erst einmal die Sprache verschlug. Er war noch aufgeregter als ich, obwohl mein Herz bis zum Hals schlug. Ich konnte ja nicht wissen, wie er reagierte. Als er sich etwas beruhigt hatte, wiederholte er immerzu: ›Mein Gott, das ist doch nicht möglich‹, und Lady Margaret rief: ›Ein Wunder, ein Wunder!‹ Ich hatte den Eindruck, die beiden hatten nicht mehr damit gerechnet, die Statue zurückzubekommen. Nein, hätte Amherst eine Ahnung gehabt, wäre seine Reaktion anders gewesen. Er war einfach überwältigt. Mir fällt jedenfalls ein Stein vom Herzen.« Und dann fragte sie ohne Zusammenhang: »Wo warst du, Howard?«
    Carter löste sich aus ihrer Umarmung und ließ den Kopf hängen. Resigniert meinte er: »Ich habe in Sporle, Dunham und Swaffham nach Zeugen gesucht, die beim Brand damals dabei waren und die bestätigen könnten, daß nicht Spink Jane Hackleton gerettet hat, sondern daß ich es war.«
    »Läßt dich die alte Geschichte noch immer nicht los? Du bist ein alter Sturkopf!«
    »Dann bin ich eben ein Sturkopf! Ich hatte bei einem Fest in Didlington Hall einen peinlichen Auftritt. Das Gespräch ging um Spink und daß er ein Held sei, weil er das Mädchen aus den Flammen gerettet habe. Da sagte ich, nein, ich habe Jane Hackleton gerettet; aber niemand glaubte mir.«
    »Und hattest du Erfolg?«
    Howard schüttelte den Kopf. »Ich sprach mit mehreren Augenzeugen. Aber nicht einer will gesehen haben, wie ich das Mädchen herausholte. Der Seiler Hackleton ist mit seiner Familie in einen anderen Ort gezogen, nach Newburry angeblich. Jetzt stehe ich da wie ein Lügner.«
    »Du leidest sehr darunter?« erkundigte sich Sarah vorsichtig.
    Ohne auf ihre Frage einzugehen, begann Carter von neuem: »Miss Jones, ich habe Ihnen geschrieben, daß ich Sie nie mehr wiedersehen will. Warum respektieren Sie nicht meinen Wunsch?«
    Sarah Jones machte einen Schritt auf Howard zu, daß dieser unwillkürlich zurückwich, als sei ihm ihre Nähe unangenehm. »Diese Begegnung war nicht von mir geplant«, entgegnete sie ernst. »Es ist wohl eher eine Fügung des Schicksals. Ich muß dir allerdings sagen, daß ich dich ohnehin in den nächsten Tagen aufgesucht hätte, um mit dir zu reden. Du bedeutest mir zuviel, als daß ich dich so einfach gehen ließe. Howard, ich liebe dich. Ich liebe dich wirklich!«
    Da schoß Zornesröte in Carters Gesicht, und er rief, daß es durch den Wald von Thetford hallte: »Sie haben mich belogen und betrogen. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sich dieser Orgelspieler nachts von Ihnen verabschiedet hat. Man kann nur einen lieben, Miss Jones, ihn oder mich. Und ich habe nun einmal die schlechteren Karten. Deshalb bitte ich Sie, mich in Ruhe zu lassen!«
    Howards verzweifelte Stimme klang wie ein Hilferuf. Auch wenn er etwas anderes sagte, klang es wie: Lieben Sie mich, Miss Jones. Ich brauche Sie so sehr! Und Sarah verstand seine abweisenden Worte durchaus richtig zu deuten.
    Deshalb nahm sie seine Hände wie die eines Kindes und sah ihm tief in die Augen: »Du kannst dir wohl nicht vorstellen, daß auch ich in meinem Alleinsein manchmal nicht

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