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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Man manipuliert so lange an Rechnungen, bis niemand mehr durchblickt. Seit Jahren hat sich bei uns eine komplette Schieber-, Schmuggel-und Schattenwirtschaft - Tenewaja Ekonimika - entwickelt, die, am Plan vorbei, aber von oben gedeckt, Autos verscherbeln, Kleider nähen, Fernseher produzieren und Häuser errichten lässt. Drahtzieher sind im Verbund mit den Direktoren die Funktionäre aus Staat und Partei, die nur ihren eigenen Vorteil sehen, aber öffentlich mit flammenden Worten und falschem Pathos genau das anprangern, was sie bis zur Perfektion beherrschen. Die Sowjetunion kann nur noch durch die vielen Tolkatschi und die Arbeitskraft der Millionen williger Bürger Wirtschaft lieh am Leben erhalten werden. Sie opfern sich, glauben den Parolen, zeigen sich dankbar für Versprechungen und erhalten von allen den geringsten Gegenwert. Schlimmer noch, man beutet sie aus wie im tiefsten Mittelalter und betrügt sie obendrein um ihre Zukunft und die ihrer Kinder. Damit niemand auf böse Gedanken kommt, nennt man das ganze auch noch Sozialismus.«
    Nikolai hatte sich in Rage geredet, beendete abrupt die Unterhaltung und drückte Alexander eine Chronik in die Hand, die seit mehr als hundert Jahren geführt werde und ihm genau aufzeige, welchen Stellenwert der Bund der Rettung habe und an welchen Regeln und Gesetzen er sich orientiere. Auffallend für Alexander war das besondere Mitspracherecht der Einheimischen. Begründet wurde dies damit, dass der Bund überwiegend in Jakutien vertreten sei und sich als Gast in einem Land fühle. Aus dieser Konstellation ergaben sich für die Organisation gewisse Verhaltensregeln. Sprecher wie Nikolai konnte nur werden, wer den Segen der Jakuten erhielt, denn dieser Volksstamm musste bei der Auswahl der Kandidaten gehört werden.
    Nikolai war laut Chronik seit mehr als zwanzig Jahren Sprecher des Bundes, sein Vorgänger wurde abgewählt - dazu mussten sieben der zehn Stellvertreter votieren -, weil er sich an einer Frau vergangen hatte. Man verstieß ihn und hörte nie wieder etwas von ihm. Dessen Vorgänger war ein Jakute, der es auf eine Amtszeit von vier Jahrzehnten gebracht hatte.
    Sehr nachdenklich geworden, schlug Alexander das dicke Buch zu und grübelte lange, bevor er einschlief.

    Alexander, der gerne hätte erfahren wollen, ob die von Nikolai angesprochene Gruppierung der Gruka und die des Bundes noch genauso existierten wie vor dem Zweiten Weltkrieg, bekam die Antwort von der Realität serviert. Ein Mitarbeiter Nikolais vergaß anzuklopfen und stürmte unangemeldet in dessen Büro. Aufgeregt verkündete er, dass eine Lieferung von vier Lkw überfällig sei. Um Mitternacht in Ust-Kut abgefahren, hätten sich die Fahrer nicht, wie verabredet, vor zwei Stunden gemeldet.
    Nikolai sprang auf und eilte zu einer Wandkarte, Alexander folgte ihm. Der Sibiriake ließ sich die Stelle zeigen, wo der Konvoi im Augenblick ungefähr sein müsste, das war höchstens hundert Kilometer von Kirensk entfernt. Nikolai schaute aus dem Fenster, bald würde es heller werden.
    »Hubschrauber allein bringt nichts«, meinte er zu seinem Mitarbeiter. »Aber er soll schon mal die Strecke abfliegen, wir kommen mit dem Auto nach.«
    Alexander und Nikolai rasten mit dem von einem Fahrer gesteuerten Armeejeep vorneweg. Ihnen folgte ein Wolga mit vier Männern, die sichtlich Mühe hatten, das Tempo zu halten. Oft kam die Limousine wegen des glatten Untergrundes ins Schleudern.
    Nikolai gab sich sehr wortkarg. »Hoffentlich nicht wie vor acht Monaten«, hörte Alexander ihn vor sich hin grummeln. Obwohl es ihn interessierte, fragte er nicht, was gemeint war.
    Nach einer halben Stunde schaute Nikolai ihn an. Ernst war der Gesichtsausdruck des Älteren und voller Vorahnung. »Mit dem Staat und den Politfunktionären haben wir keine Probleme, Geld regelt alles. Was uns Sorge bereitet, sind die Verbrecherorganisationen.«
    »Aber vier Lkw kann man nicht so ohne weiteres stoppen und ausrauben und verschwinden lassen.«
    Nikolai lachte hart. »Ganze Züge verschwinden in Sibirien, mein Lieber. Ganze Züge mit der kompletten Ladung. Und Schiffe auf Lena, Jenissei und Ob. Was sind da schon vier Lkw?«
    Nikolai starrte durch die Windschutzscheibe. Die wenig befahrene holprige Allwetterstraße folgte dem Verlauf der Berge und Täler. Links und rechts waren Nadelwälder, schwer trugen die Äste an dem aufliegenden Schnee.
    »Nikolai, die vier Männer im Wolga hinter uns. Sind das deine Leibwächter?«
    »Ja.«
    »Warum

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