Der König von Sibirien (German Edition)
an. Sie können hier bei mir wohnen.«
Einige der Gäste kicherten, aber Alexander, den Gelenkschmerzen, besonders im Knie, plagten, wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, was das zu bedeuten hatte.
Nach einer Woche hatte er die Strapazen überstanden, sein Körper sich wieder einigermaßen regeneriert. Den ganzen Winter verbrachte Alexander, der sich ordnungsgemäß beim Stadtsowjet als neuer Bewohner vorgestellt hatte, in der privat von Rima Plachina geführten Kantine. Sie habe eine Lizenz, die Soldaten zu bewirten, erklärte ihm die Übergewichtige, die wegen des besseren Angebots und der zivilen Preise viel lieber zu ihr kämen als die kostenlose, militäreigene Kantine zu benutzen. Und wenn man sie so anschaue, dann mache sie doch selbst die beste Werbung für sich, kokettierte Rima mit ihrer Körperfülle.
Alexander, der die karge, sich nur an Vorschriften orientierte Militärkost selbst kennengelernt hatte, wagte sich nur selten in die Stadt, weil er es für zu gefährlich hielt. Aber der Druck, stets auf der Flucht zu sein, legte sich allmählich. Nach zwei Monaten hatte er es sich abgewöhnt, immer über die Schulter nach einem Verfolger Ausschau zu halten.
Alexanders Zimmer war klein, aber warm, zu essen gab es reichlich. Dafür jedoch hatte er bereits morgens um sechs aufzustehen und die Kantine für das Frühstück herzurichten: etwas Kaffee und ein Mehrfaches an Tee aufzusetzen, Brot zu schneiden, Sirup und Marmelade auf kleine Teller zu schaufeln und Dickmilch in Tassen zu füllen. Er musste Geschirr abwaschen, Einkäufe tätigen und durfte die Gäste bedienen. Überwiegend handelte es sich um Soldaten bis zum Rang eines Feldwebels, die Offiziere hatten ihre eigene, wesentlich besser ausgestattete Messe innerhalb des abgesperrten Militärgeländes.
Alexander erfüllte alle Aufgaben und Pflichten, nicht zuletzt auch die, mit der dicken Rima ins Bett zu gehen Deshalb hatten seinerzeit die Gäste gekichert.
Obwohl ihn der massige Körper manchmal zu erdrücken drohte, war Rima ungemein feurig und brachte ihn auf andere Gedanken. Leider verausgabte sie sich immer so sehr, dass ihr der Schweiß in Strömen von der Stirn lief. Dabei wurde sie am ganzen Körper glitschig wie ein Fisch. Und da Rima auch noch die Oberhand behalten wollte, ihre Lieblingsstellung war das Reiten auf ihm, brannten Alexanders Augen ständig von ihrem Schweiß. Salzig schmeckte er obendrein, aber das nahm er in Kauf. Nur an ihre feuchten Küsse konnte er sich nicht gewöhnen. Wie ein Schwamm, der ausgedrückt wurde. Und dass sie ihn immerzu in den Po zwickte, auch vor Gästen.
Der Winter erreichte seinen Höhepunkt. Nur noch knapp eine Stunde am Tag war es milchig grau, die restliche Zeit herrschte Dunkelheit. Im Januar wurde es mit minus 48 Grad bitter kalt. Nachts hörte Alexander auf der benachbarten Militärbasis das Brummen der Lkw. Man ließ die Motoren, obwohl die Fahrzeuge in Blechhallen untergestellt waren, rund um die Uhr laufen, sonst würden bei der Kälte die Blöcke platzen oder der Motor nicht mehr anspringen.
Alexander registrierte nach und nach, dass die Kantine beliebter Umschlagplatz für ganz bestimmte Waren war. Die Soldaten kamen mit Stiefeln und tauschten sie gegen Wodka und Zigaretten ein. Andere trugen scheinbar nichts bei sich. In solchen Fällen bekam Alexander oft mit, wie unter dem Tisch eine Pistole rübergereicht wurde und einige Geldscheine in die Gegenrichtung wanderten.
Alles, was man mehr oder weniger unauffällig übergeben konnte, wechselte so den Besitzer. Militärmäntel, Pelzjacken, Munition, Bajonette und Handschuhe. Dazu Materialien aus dem Fuhrpark wie Fett, Öl, Keilriemen und andere gesuchte Ersatzteile.
Wenn ein Geschäft zur Zufriedenheit beider Parteien abgewickelt worden war, spendierte man Alexander einen Wodka Schweigegeld.
Dafür hatte er sich auch schon mal auf einen Wink hin an die Tür zu stellen und aufzupassen.
Gipfel des Tauschgeschäftes war ein Geländewagen. Alexander beobachtete den Soldaten und den Zivilisten sehr lange. Sie redeten und redeten, feilschten über den Preis, aber das Handelsobjekt blieb Alexanders Augen vorenthalten. Auch, als mehrere dicke Bündel mit Banknoten diskret von einer in die andere Manteltasche wechselten. Erst als Alexander an das Fenster trat und den Zivilisten zufrieden in ein Fahrzeug steigen sah, wusste er, was wirklich abgelaufen war. Diesmal erhielt er als Lohn eine Flasche Wodka und hundert Rubel, mehr als sein Monatsverdienst
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