Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
und ohne eine Spur zu hinterlassen. Für tausend Deutsche Mark. Ein lächerlicher Preis für seine erstklassigen Dienste, aber darauf kam es gar nicht an. Es war das Töten, das ihn damals gepackt hatte, der Blick durch das Zielfernrohr auf ein ahnungsloses Opfer. Die Macht über Leben und Tod war eine Bestätigung seines Seins, die er noch nie zuvor erlebt und die ihn nicht mehr losgelassen hatte.
Den Auftrag für seinen ersten Mord hatte er von seinem Zuhälter erhalten. Von dem Mann, der ihn schon im Aufnahmelager Friedland angeheuert hatte. In dem kleinen niedersächsischen Ort, der die zentrale Anlaufstelle für ihn und alle anderen Russlanddeutschen war, hatte er die Gesetze des Westens schnell gelernt. Angebot und Nachfrage.
Und sein Angebot bestand in einem makellos schönen Gesicht, in dem sich die männlichen und weiblichen Gesichtszüge in perfekter Harmonie zu vereinen schienen, sowie dem Körper eines griechischen Gottes.
Sie nannten ihn nur Ladyboy, und keine achtundvierzig Stunden nach seiner Einreise in die Bundesrepublik hatte er schon seinen ersten Freier. Aber nicht wie ein armseliger Strichjunge in einem im Dunkeln geparkten Wagen für ein paar Scheine, nein, er war von Anfang an in der Luxusklasse unterwegs gewesen.
In Russland hatte er bereits von Zeit zu Zeit einigen Geschäftsmännern seinen Körper zur Befriedigung ihrer gierigen Wünsche dargeboten, für ein paar Gefälligkeiten und etwas Kleingeld. Aber das richtige Business ging erst in Deutschland los. Hochrangige Manager, Beamte, Journalisten und sogar ein paar bekannte Politiker ließen ihn in die teuersten Hotels Europas einfliegen. Der Tagessatz hatte zum Schluss nicht unter fünftausend Euro gelegen, plus Spesen. Der Kick des Geldes war irre. Fast so wie das Töten.
Und auf das Töten folgte noch etwas viel Größeres, das ihn seitdem total beherrschte.
Dass ein unbekanntes Monster in seinem Innersten darauf gelauert hatte, auszubrechen, hatte er schon lange geahnt. Die leblosen Körper, die er aus den Menschen machte, zogen ihn an wie unerfüllte Versprechen. Er hatte diese Gefühle zunächst nicht ernst genommen und eher auf den hochgeputschten Adrenalinhaushalt geschoben, der bei Anschlägen unvermeidbar war. Aber dann bekam er den Auftrag, einen südamerikanischen Geschäftsmann erst zum Reden und dann zum Tode zu bringen. Es ging um Geschäftsgeheimnisse, die einige Herren brennend interessierten, und er hatte ihnen Lieferung versprochen.
Zwei Wochen überwachte er das Target, dann schlug er zu. Er überraschte den Mann und seinen Bodyguard im Haus einer Geliebten im Taunus. Erst tötete er den Leibwächter vor den Augen des Paares, dann folterte er das Mädchen.
Der Latino schaute ausdruckslos zu und schwieg.
Und im Kopf des Stutzers entstand explosionsartig eine neue Welt, ein neues Fühlen und Leben, ein unbeschreiblicher Genuss an dem Grauen, das seine Phantasie und seine Hände schufen wie ein Kunstwerk. Er hoffte inständig, dass der Südamerikaner weiter schweigen würde.
Am nächsten Morgen waren nur noch er und sein Opfer am Leben. Der Mann winselte halb verrückt vor Schmerzen um die Gnade eines sofortigen Todes und hatte ihm längst alles erzählt, was er wissen wollte.
Der Feldweg vor ihm machte eine Kurve, und der Stutzer steuerte den Wagen an einem verfallenen Gatter vorbei. Die Erinnerungen an den Taunus-Auftrag ließen ihn für einen Augenblick seine Schmerzen vergessen. Er sah sich selbst nackt und blutverschmiert im Wohnzimmer des Hauses stehen, hörte das Wimmern des Todgeweihten, den er noch über zwei weitere Tage am Leben gehalten hatte. Er spürte, wie die Gedanken an die Szene ihn erregten, und schrie vor Schmerz laut auf, als die Geilheit seinen zerschundenen Schwanz erreichte.
Der Stutzer malte sich aus, wie ihn das Mädchen um den Tod anflehen würde, und dieses Bild wirkte beruhigend auf ihn. Am liebsten hätte er sie bereits hier und jetzt erledigt. Es wäre so einfach. Er müsste nur anhalten, sie aus dem Kofferraum in das nahe Unterholz zerren und warten, bis die Wirkung des Chloroforms nachließ. Dann würde ihr Martyrium beginnen. Niemand konnte sie hier hören, und niemand konnte sie retten.
Aber Thalberg hatte strikt verboten, dass ihr etwas zustieß. Nach der Sache mit der Rechtsanwältin war der Alte vollkommen ausgeflippt.
Der Stutzer musste unwillkürlich lächeln. Mit Anne Kreifelts war die einzige Verbindung zum Verräter in Thalbergs Reihen zu Tode gefoltert worden, ohne
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