Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
seltsam verkrümmten Leichen von Reißfeld und Schmitt. Und auf den Klippen verteilte der Wind die Papiere aus Falkenhayns Geheimdossier.
Von unten ertönte Geschrei, und Parker sah zwei uniformierte Polizisten, die auf den Garten zuliefen. Dann schwirrten Polizeisirenen durch die kühle Luft, und er hörte, wie Menschen auf den unteren Ebenen des Klosters laut durcheinanderredeten. Schnell drehte er sich von der Öffnung weg. Auf keinen Fall durfte er in die Hände der Polizei fallen.
Raus hier!
Doch in seinem Zustand, mit dem malträtierten Gesicht und der blutverschmierten Hose, würde er die Abtei nicht unbemerkt verlassen können. Nachdenklich schaute er sich in alle Richtungen um. Noch lag der Kreuzgang der Abtei verlassen vor ihm, doch die Stimmen kamen unaufhaltsam näher. In seinem Kopf wog er mühsam verschiedene Überlegungen ab, die allesamt vollkommen unnütz waren.
Lass dir endlich etwas einfallen!
Grübelnd schaute er sich noch einmal um. Da blieben seine Augen an Reißfelds Rollstuhl hängen. Nur wenige Augenblicke später hatte er auch sein Käppi und den Reiseführer wiedergefunden. Er setzte sich in den Rollstuhl, legte die Decke des Innenministers sorgfältig über seine blutige Hose, positionierte darauf den aufgeschlagenen Reiseführer und rollte ins Refektorium. Ohne auf seine Schmerzen zu achten, trieb er den Rollstuhl mit aller Kraft auf den Ausgang zu.
Die Anstrengungen des Kampfs und die Verletzungen trübten seine Sinne. Plötzlich sah er Ian Fowler vor sich. Der Freund winkte ihm lachend zu. Dann platzten Erinnerungen an die Kosovo-Mission in den inneren Film. Er sah die Wagenkolonne der OSZE, die bei Peć die schmale Bergstraße erklomm. Er hörte das fürchterliche Geräusch des Einschlags der Granate in den Toyota. Wieder lag Fowler blutend und sterbend in seinen Armen. Das fürchterliche Bild löste sich auf, und Anne erschien vor seinem inneren Auge, hohlwangig und wächsern auf dem Obduktionstisch. Das Laken der Gerichtsmedizin war diesmal weit zurückgezogen und gab den Blick auf ihren zerschundenen Körper frei. Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken loszuwerden.
Seine zwei engsten Freunde hatte er verloren. Zweimal hatte er sie nicht retten können. Ein Gefühl der Ohnmacht stieg wie ein wilder Schwindel in ihm auf.
Dann fühlte er nur noch eine kalte Wut, die ihn nicht mehr losließ, während er sich mit dem Rollstuhl den Weg durch die Merveille bahnte, bis er einen Aufzug erreichte.
Auf der unteren Ebene des Klosters strömten die Besucher panisch dem Burgtor zu wie eine unaufhaltsame Herde verängstigter Schafe. Ein Stimmengewirr in zahllosen Sprachen erfüllte die alten Mauern. Von Zeit zu Zeit drängelten sich uniformierte Polizisten mit gezückten Waffen in den Händen durch die Leute. Von Parker und den anderen Besuchern nahmen sie keine Notiz.
Als er endlich den Mont Saint-Michel verlassen hatte, taumelte er durch die nebelige Schilflandschaft zum Anleger der Jacht. Laut rief er Zoés Namen, lange bevor er das Boot sah. Maria stand auf dem Deck und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.
„Zoé?“ Er wagte kaum, die sinnlose Frage auszusprechen.
Sie schüttelte den Kopf und presste sich schluchzend die Hände vors Gesicht.
Er nickte stumm. Er kannte nun seinen Weg.
Kapitel 54
In der tiefen Nacht bahnte sich die Jacht ihren Weg vorbei an den gefährlichen Riffen der bretonischen Küste. Der Nebel lag schwer und feucht auf dem Wasser. Nur selten riss der dichte Dunst auf und gab den Blick auf die gewaltige Steilküste frei. Bis zu vierzig Meter hohe, spitzkantige Schatten erschienen im Licht des Mondes und verschwanden unmittelbar darauf wieder in der Dunkelheit.
Paul steuerte das Schiff immer tiefer in die Bucht hinein. „Gleich sind wir da“, rief er vom Oberdeck auf Französisch und spähte angestrengt in die Dunkelheit, vermochte ihr Ziel aber nicht zu erkennen.
Prüfend belastete Parker sein verletztes Bein. Paul hatte die Schusswunde behandelt, und der fachmännisch angebrachte Druckverband wirkte Wunder. Er konnte voll auftreten, ohne Schmerzen zu spüren. Auch die Platzwunden am Kopf hatte der Bretone mit geübten Stichen genäht. Auf Parkers Frage in gebrochenem Französisch, wo er diese medizinischen Fähigkeiten erworben hatte, hatte der alte Mann nur matt gelächelt, „Résistance, Indochine, Algerié“ gemurmelt und sich über seinen Knebelbart gestrichen.
Parker hatte beeindruckt durch die Zähne gepfiffen. Er hätte gar keinen
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