Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
ihrer Obhut, die sie hier untergebracht hat.“ Er schaute Parker eindringlich an. „Sucht ihr etwa das Bernsteinzimmer?“
Damit hatte Parker nicht gerechnet. Verblüfft überlegte er, was er auf die direkte Frage antworten sollte. Er konnte nicht glauben, dass sich Thalbergs Versteck bereits bis zu den Jugendlichen von Volpriehausen herumgesprochen hatte.
Kapitel 65
Irritiert schaute Zoé den Jungen an, der ihnen auf den Kopf zu gesagt hatte, dass sie nach dem Bernsteinzimmer suchten. Es schien für Tobi fast selbstverständlich zu sein, dass sich ein Pärchen nachts und bei spiegelglatter Straße aufmachte, um in Volpriehausen nach dem alten Zarenschatz zu fahnden.
Und auf einmal dämmerte es ihr. Wie hatte sie das bloß vergessen können? Ihre intellektuellen Fähigkeiten hatten offenkundig unter den dramatischen Ereignissen der letzten Tage gelitten. Sie riss sich zusammen und schaute dem Jungen gelassen in die Augen: „Ja, ja, die alte Legende von Volpriehausen. Kommen wirklich noch Leute hierher, um nach dem Bernsteinzimmer zu suchen?“ Benjamin warf ihr einen erstaunten Blick zu, was sie ganz amüsant fand.
Tobi grinste. „Klar kommen welche. Touristen, die vom Versteck im Reiseführer gelesen haben, und natürlich auch die echten Freaks, die ihr ganzes Leben dem Bernsteinschatz widmen.“
Und tatsächlich, so erinnerte sich Zoé vage, spielte auch das Bergwerk Volpriehausen in der Bernsteinzimmerliteratur eine gewisse Rolle als eines der zahllosen mutmaßlichen Verstecke. Wahrscheinlich kannte jeder Einwohner von Volpriehausen die alte Legende in- und auswendig. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie den Jungen fragte: „Und, ist es hier?“
Nachdenklich zog er die Augenbrauen zusammen. „Rein theoretisch ist es natürlich möglich, dass die Nazis es damals in die Salzmine gebracht haben.“ Schwer stieß er seinen Atem aus, der eine Wolke in der kalten Luft bildete. „Ich halte das jedoch für ausgeschlossen. Nach der ungeheuren Explosion unter Tage kurz nach Kriegsende konnten noch viele Einlagerungsgegenstände geborgen werden. Unter anderem auch die Bernsteinsammlung der Uni Königsberg – aber niemand hat auch nur den geringsten Hinweis auf das Bernsteinzimmer gefunden. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.“
„Was war das für eine Explosion?“, fragte Parker.
Tobi zuckte mit den Achseln. „Das konnte nie aufgeklärt werden. Wahrscheinlich eine Methanblase, die sich auf einer Sohle gebildet hatte und versehentlich durch Plünderer oder Neugierige entzündet wurde. Vielleicht auch ein Sabotageakt, wie die Engländer, die damals die Muna kontrollierten, vermuteten. Jedenfalls ist die ganze Anlage in der Nacht vom 28. auf den 29. September 1945 in die Luft geflogen. Bis zu einhundert Meter hohe Stichflammen sollen aus dem Boden geschossen sein. Die Erde hat minutenlang gebebt, als Tausende Tonnen Sprengstoff und Munition hochgegangen sind. Selbst am Folgetag spürte man noch Explosionen unter der Erde.“
„Und dann ist die Schachtanlage mit Wasser zugelaufen?“, fragte Zoé. „Ich meine natürlich abgesoffen.“
Der Junge warf ihr einen anerkennenden Blick zu. „Abgesoffen, richtig. Durch die unterirdischen Beschädigungen konnte an vielen Stellen Grundwasser eindringen. Aber das war ein schleichender Prozess. Erst 1955 war die Lage in den Schächten so bedrohlich, dass das Bergamt die Röhren mit Bohrschlamm verfüllen ließ. 2002 haben sie dann nochmals tonnenweise Schotter draufgeschüttet und die Schachtanlage endgültig verschlossen.“ Ein gewisses Bedauern schwang in seiner Stimme mit.
Benjamin strich sich über das unrasierte Kinn. „Also, selbst wenn das Bernsteinzimmer noch kurz vor Kriegsende nach Volpriehausen verbracht worden wäre, wird die Wahrheit wohl nie mehr ans Tageslicht gelangen. Die Bernsteinpaneele sind unter Tonnen von Gestein, Schlamm und Schotter für alle Ewigkeit verborgen?“
Der Junge drückte die Bierdose zusammen, die mit einem martialischen Geräusch nachgab. Breit grinsend und mit freudlosen Augen nickte er ihnen zu. „So ist es.“
„Woher weißt du so gut über das Bergwerk und seine Geschichte Bescheid?“, fragte Benjamin.
„Ich will Bergbauingenieur werden. Im Frühjahr fange ich in Clausthal an. Den Studienplatz hab ich schon sicher.“ Der Stolz in seiner Stimme war unüberhörbar, als er hinzusetzte: „Die Technische Universität in Clausthal-Zellerfeld ist die beste Uni der Welt für
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