Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Schächte gepumpt worden sind, deshalb.“
„In die Schächte – ja, mag sein, aber das Bergwerk besteht doch nicht nur aus den beiden Schächten.“ Sie hob beschwörend die Hände. „Ich wette, da unten gibt es noch unzählige Tunnel und Räume.“
„Du meinst Stollen und Kammern“, sagte er und starrte sie dann eine Weile wortlos an. Schließlich zuckte er mit den Schultern. „Der ganze Untergrund unter dem alten Fördergebiet ist perforiert wie ein Ameisenhaufen. Noch 1944 hat die Wehrmacht wie verrückt Arbeits- und Lagerkammern ausgesprengt, da man dringend weiteren Raum für die Munitionsfertigung benötigte. Bis zu dreihundert Kammern soll es geben.“ Er schaffte es, sich trotz der Stachelfrisur am Kopf zu kratzen. „Aber kein Mensch weiß, ob da unten noch welche existieren, die unversehrt sind.“
„Es ist also doch vorstellbar.“ Zoé unterdrückte ein triumphierendes Grinsen, das sich in ihr Gesicht schleichen wollte.
Tobi neigte den Kopf zur Seite und hob abwehrend die Hände. „Vorstellbar ist vieles im Bergbau. Und selbst wenn einige Kammern von den Explosionen und dem eindringenden Wasser verschont geblieben sind, liegen sie doch alle tief unter der Erde auf den Sohlen mit einer Teufe von fünfhundertvierzig bis neunhundertsiebzehn Metern. Da kommt heute keiner mehr runter.“
„Doch“, erwiderte Zoé ungerührt. „Wenn ein geheimer Einstieg existiert.“
Stöhnend schlug der Junge die Hände über dem Kopf zusammen. „O Mann!“ Ungläubig schaute er sie an. „Ihr beide glaubt, es gibt bei den Munitionshäusern einen versteckten Zugang zum Bergwerk, nur weil irgendjemand das Wort Zugang auf eine alte Karte geschrieben hat?“ Er schüttelte den Kopf. „Ihr seid ja noch verrückter als die anderen Verrückten, die sonst hier aufkreuzen!“
„Du hast ja recht“, meinte Benjamin und machte eine beschwichtigende Geste. „Wir wissen auch, dass die Häuser viel zu weit entfernt liegen von den beiden Schächten, um als Einstieg in Betracht zu kommen. Man hätte sich ja durch den halben Berg buddeln müssen, um Wittekind oder Hildasglück zu erreichen.“
Bei den letzten Worten wurde Tobis Blick starr wie eine Salzsäule. Flüsternd sagte er: „Die Häuser liegen genau über dem unterirdischen Verbindungstunnel zwischen Hildasglück und Wittekind.“ Seine Augen lösten sich von einem imaginären Fixpunkt in der Dunkelheit, und er wandte sich wieder an Zoé. „Es wäre ein idealer Ort für …“, er schloss die Lippen und die Lider für einen kurzen Moment, bevor er weitersprach, „… einen dritten, einen geheimen Schacht.“
Zoés Sinne waren plötzlich wie elektrisiert. „Es gab einen Verbindungstunnel zwischen Wittekind und Hildasglück?“
„Natürlich hat man damals einen Verbindungsweg zwischen den Schachtröhren ins Steinsalz gesprengt.“ Die Worte des Jungen kamen mechanisch und tonlos aus seinem Mund. „Es handelt sich um einen sogenannten Blindschacht, der die Hauptfördersohle auf fünfhundertvierzig Meter Teufe in Wittekind mit Hildasglück auf neunhundertsiebzehn Meter verband.“
Zoé seufzte. Mindestens fünfhundertvierzig Meter unter der Erde. Sie fühlte sich nicht gerade angezogen von dem Gedanken, Hunderte von Metern tief in ein durch gewaltige Detonationen beschädigtes Kalibergwerk einzufahren – und doch wusste sie, dass sie alles in der Welt daransetzen würde, um genau das zu tun. „Und du meinst, es existieren noch Kammern unter Tage, die nicht durch die Explosionen und das Wasser zerstört worden sind?“
Der Junge schaute ratlos drein. „Wie gesagt, vorstellbar ist vieles.“ Er atmete tief aus und schüttelte dann energisch den Kopf. „Nein. Nein. Eigentlich ist es ausgeschlossen, bei der großen Zerstörungskraft des Sprengstoffs.“
Parker zog die Augenbrauen in die Höhe. „Eigentlich?“
Jetzt trat Anke, die Blonde, ihre Zigarette auf dem Boden aus. „Vergiss es“, sagte sie und schaute Parker an. „Wenn Tobi sagt, es ist eigentlich unmöglich, dann ist es zu einhundert Prozent ausgeschlossen. Das ‚eigentlich’ kannst du streichen. Tobi wäre der Erste, der Wind von einem geheimen Einstieg in das Werk bekommen hätte, wenn es ihn wirklich geben würde. Seit er denken kann, erkundet er die Anlage. Selbst ich rangiere bei ihm nur an zweiter Stelle, gleich hinter einem stillgelegten Bergwerk.“
Der Rotschopf schaute das blonde Mädchen erstaunt an und nickte. Er schien das Vertrauen in seine Urteilskraft wiedergefunden zu
Weitere Kostenlose Bücher