Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
hattest recht“, sagte er noch, und dann war die Leitung tot.
Traurig und in Gedanken schritt sie die Kellertreppe des Hauses hinab. Mein Lieber, warum hast du bloß so lange gebraucht, um die Wahrheit zu erkennen? Feuchte Kühle schlug ihr im Keller entgegen. Sie ging an einem verstaubten Weinregal entlang und bog dann in eine Kammer ab, in der die Körbe für die Obsternte auf einem Holztisch standen. Seit Jahren hatte hier niemand etwas angerührt. Mit einer beherzten Bewegung schob sie die Körbe beiseite, und zum Vorschein kam ein Panzerschrank, der fest in das Mauerwerk eingelassen war. Konzentriert drehte sie am Zahlenschloss, bis die massive Stahltür des Tresors aufsprang. Nachdem sie sie ganz aufgeklappt hatte, zog sie die obere der drei Schubladen auf. Ein beidseitig geschärfter Dolch, vielleicht zwanzig Zentimeter lang, kam zum Vorschein. Erst zögerlich, dann kraftvoll umfassten ihre Finger den Griff aus Elfenbein. Als sie den Dolch herausnahm, löste sich etwas im hinteren Teil des Fachs, kullerte nach vorne und schlug mit einem metallischen Geräusch gegen die Vorderwand der Schublade. Erschrocken zuckte sie zusammen.
Das schreckliche Ding hatte sie völlig vergessen. Ob es noch funktioniert? Sie atmete einmal tief durch, bevor sie entschlossen in das Fach griff und ihre Finger den kalten, runden Gegenstand aus Metall spürten. Laut sagte sie: „Ich werde nicht weggehen.“
Kapitel 28
Obwohl Parker in den letzten zwei Tagen kaum Schlaf bekommen hatte, fühlte er sich so munter und energiegeladen wie seit langem nicht mehr. Voller Bewunderung ließ er den Blick über die verschneiten Gipfel der Valepper Almen schweifen, die im grellen Sonnenlicht des angebrochenen Tages erstrahlten. Er nahm sich fest vor, diese majestätische Bergwelt einmal gründlich zu erforschen – falls er dieses Abenteuer heil überstehen sollte. Vielleicht gemeinsam mit Zoé, dachte er und sah, dass sie dicht an den Abhang herangetreten war. Auf einmal riss sie ihre Arme in die Höhe, und ein Freudenschrei hallte durch die Natur: „Jaaaaaaaaaaaaa!“
Begeistert schaute sie zu ihm herüber. Ihre neue hellblaue Winterjacke saß, als ob sie extra für sie angefertigt worden wäre. Er selbst steckte in einer dezent grünen Wanderjacke, die sie am Morgen in Schliersee neben anderen Wintersachen erstanden hatten. Genau wie Parker trug sie einen gut gepackten Rucksack auf dem Rücken. Ihren Kopf schmückte eine weiße Wollmütze, unter der schwarze Strähnen hervorlugten. Ein zufriedenes Lächeln spielte um ihren Mund. Für einen Moment erkannte Parker das kleine Mädchen, das sie einmal gewesen war. Er betrachtete sie noch eine Weile und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut – bis der fortgeschrittene Stand der Sonne ihn wieder an den eigentlichen Zweck ihrer Exkursion erinnerte. Er gab Zoé ein Zeichen und stapfte weiter durch den hohen Schnee in Richtung dessen, was er für den Wanderpfad hielt.
Aus den Augenwinkeln schaute Zoé zu Parker herüber, der den Weg bergauf langsam fortsetzte. Sie mochte die Ruhe und Kraft, die von ihm ausgingen. Im Adlon, in größter Lebensgefahr, hatte er erstaunlich überlegt und entschlossen gehandelt. Ihr war ein Stein vom Herzen gefallen, als er sich in Berlin kurzerhand hinter das Steuer des Jaguars gesetzt hatte, um sie zu begleiten. Zum ersten Mal seit Annes Ermordung fühlte sie wieder Zuversicht in sich aufsteigen.
Er drehte sich ein weiteres Mal zu ihr um und sagte: „Na los! Sightseeing machen wir später!“ Seine grünen Augen glänzten hellwach. Das braune Haar, vom Wind durcheinandergewirbelt, türmte sich verwegen auf seinem Kopf, was gut zu den dunklen Stoppeln auf dem markanten Kinn passte. Sie schmunzelte, als sie ihn so anschaute. Jetzt fehlten nur noch die Lederhose und das rot-karierte Hemd, und er hätte in jeder Vorabendserie als Tiroler Herzensbrecher für gestresste Flachlandtouristinnen auftreten können – von dem Rechtsprofessor aus Heidelberg war jedenfalls keine Spur mehr zu sehen. Du hast den falschen Beruf, mein Junge, dachte sie und folgte ihm.
„Wo werden wir Ihren Informanten treffen?“, hatte Parker sie beim Frühstück in Schliersee gefragt.
„Keine Ahnung“, war ihre vergnügte Antwort gewesen. Genüsslich verspeiste sie ein großes Croissant mit viel Honig darauf. Kauend holte sie ihren Laptop hervor und stellte das Gerät an. Gespannt schaute er ihr zu. Sie trank einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse, drückte ein paar Tasten und
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