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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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seinem Gewicht knarrte. Seinen Hut hängte er an die Lehne.
    Cephei fand es merkwürdig, in einer Gaststube am Tisch zu sitzen und bedient zu werden. Sonst war er es gewohnt, selbst zwischen den Tischen zu stehen oder umherzulaufen. Nervös sah er sich um.
    Eine ältere rotblonde Frau mit grauen Strähnen, kleinen blauen Augen und schmaler Hakennase, die eine fleckige Schürze um den Bauch gespannt hatte, trat an ihren Tisch und blickte missmutig auf sie herab. »Was wollt ihr?« Es klang, als erwarte sie eine Rechtfertigung und keine Bestellung.
    Urs versuchte sie anzulächeln, ließ es aber nach wenigen Augenblicken bleiben, als sich auf dem Gesicht der Frau nichts regte. »Euer Tagesgericht, Wasser für die beiden und einen Becher Wein für mich. Außerdem ein Zimmer für die Nacht.«
    Einen Moment lang sah es so aus, als würde die Frau ihnen das Gewünschte verweigern, doch dann kniff sie die Augen zusammen und starrte Urs an. »Ich kenne dich. Du warst doch schon mal hier.«
    Der Bär schien erfreut, dass sich jemand an ihn erinnerte. »Das ist wahr, gute Frau. Es ist schon eine Weile her, dass ich in diesem Dorf war und den guten Wein genossen …« Er unterbrach sich und fuhr dann fort: »Nun ja, es hat sich so einiges verändert.«
    Die Frau schnalzte mit der Zunge. Ob sie über die Bemerkung verärgert oder amüsiert war, konnte Cephei nicht sagen, in ihrem Gesicht regte sich nichts. Sie ließ sie wieder allein, verschwand im hinteren Teil der Wirtschaft, wo wohl die Küche zu finden war. Weiterhin wurden sie von den anderen Leuten in der Stube beobachtet, doch seit die Wirtin ihre Bestellung entgegengenommen
hatte, gingen die Gespräche weiter, als wären sie nie gestört worden.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis die Frau mit den Getränken wiederkam, und Urs versuchte noch einmal, sie in ein Gespräch zu verwickeln. »Warum setzt Ihr Euch nicht einen Moment zu uns, gute Frau, und berichtet uns aus dieser Gegend? Wir kommen aus Marinth und erfahren nicht häufig etwas von der anderen Seite des Rauschwalds.«
    Cephei beobachtete erstaunt, wie die Frau der Bitte tatsächlich nachkam. Vielleicht fand sie es ja interessant, mit einem sprechenden Bären zu reden, oder sie hatte Urs in guter Erinnerung.
    »Was macht ihr in dieser Gegend, wenn ihr aus Marinth kommt?«, wollte sie wissen, anstatt selbst zu erzählen. Ihre Stimme klang freundlicher als zuvor.
    »Verwandte im Süden besuchen«, antwortete Vela schnell.
    Cephei warf ihr einen kurzen Blick zu, ebenso wie die Wirtin, die mit hochgezogener Augenbraue fragte: »Verwandte von euch allen?«
    Daraufhin lief Vela knallrot an, aber die Frau fragte nicht weiter, auch wenn es offensichtlich war, dass die drei wohl nicht dieselben Verwandten hatten.
    »Ihr solltet jedenfalls vorsichtig sein. Schlimme Dinge geschehen in letzter Zeit.« Sie sprach nicht weiter, schüttelte nur den Kopf, als hätte sie schon zu viel gesagt, und starrte missmutig zum Nachbartisch, wo drei ältere Männer Karten spielten.
    »Habt ihr einen Klippengeier gesehen?«, fragte Cephei. Was sollten sie auch groß herumreden von einem Verwandtschaftsbesuch, das half doch nicht, Antworten zu bekommen.
    Schlagartig legte sich der misstrauische Blick der Wirtin auf
ihn. »Nach solchen Sachen solltest du nicht fragen, Junge. Das hört hier niemand gern.«
    »Warum?«
    Es dauerte eine Weile, bis die Frau antwortete. »Klippengeier sind selten in dieser Gegend, es gibt hier keine Berge, wo sie sich wohlfühlen. Hin und wieder sehen wir einen über uns hinwegziehen, und manchmal hat ein Klippengeier ein Tier aus einer Rinderherde gerissen. Das passiert ein- oder zweimal im Jahr, da bereiten uns die kleinen Nachtwölfe aus der Gegend viel mehr Ärger … Doch in letzter Zeit ist es anders, schlimmer. Es ist noch keine zwei Monate her, da stürzte sich eine dieser Bestien auf das Dorf herab, hackte Löcher in die Hausdächer und wühlte mit dem Schnabel in ihnen herum. Ein kalter Hauch legte sich über das Dorf und wollte tagelang nicht weichen. Der Geier riss schließlich zwei Rinder und flog davon. Doch ein Hausdach hat er zum Einsturz gebracht, und die schweren Sparren haben die kleine Monar unter sich begraben. Neun Jahre alt war das arme Ding.« Ihr Mund presste sich zu einer schmalen Linie zusammen, und der Blick wurde noch finsterer. »Vor wenigen Tagen haben wir schon wieder einen gesehen, und wir fragen uns natürlich, wo kommen die Biester her, und wie oft werden sie sich hier herumtreiben?

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