Der Koffer
Trenchcoat aber hatte Gong bespuckt. Den Trenchcoat hat Rhett in die Reinigung gebracht. Chola … Chola … wie heißt sie noch mit Nachnamen? Chanel? Patel? Er findet einige ausgedruckte Seiten des Internetmagazins. »Da! Chola Chapel!« Mit dem Blatt Papier stürzt er wieder zum Telefon und ruft die Auskunft an. »C-H-A-P-E-L, ja.« Er kritzelt Cholas Nummer auf einen Umzugskarton. Er wählt Cholas Nummer. Anrufbeantworter. »In dringenden Fällen …« Er schreibt mit. Er wählt Cholas Funknummer.
SECHSTES KAPITEL
Das Wartezimmer erinnert Sonnie an Einer flog über das Kuckucksnest . Es riecht nach Sepso, Doppelwhopper und faulem Menschenfleisch. Chola sitzt auf dem Stuhl, ein statisch aufgeladenes lila Ding um den Hals, und sieht fern. Die Letterman-Show.
»Sharon Stone ist zu Gast«, sagt sie. »Auch geliftet. Was hamse mit dir gemacht?«
»Spritze.«
»Schmerzspritze? Wohin? Arm?«
»Arsch.«
»Und nu?«
»Soll ich warten. Hab eine Nummer gekriegt. Sag mal, ist das eine Federboa?«
»Klingst ja schon wieder ganz krekel.«
»Ich lieg im Sterben, und du wirfst dir eine Federboa um?«
»Kindchen, irgendwann steht ’ne Frau vor der Entscheidung, ob sie ’ne Dame in ’n besten Jahren sein will oder ’ne ungepflegte ältere Frau.«
Eine ungepflegte ältere Frau.
Sonnie betrachtet ihre wunden Männerhände.
Hände betrachten bringt Unglück.
»Hab ich dir schon erzählt, dass Pinkie schwanger ist?«
»Die Praktikantin?«
»Ja, von Basedow.«
»Ach nee.«
»Erst hatse ihre Tage gekriegt. Dann warse doch schwanger. Jetz gibt er ihr ’n Vertrag, wegen Mutterschutz.«
»Ein guter Mensch etwa?«
»Nee. Meinen hat er nich verlängert.«
»Chola, verarschst du mich? Du bist gefeuert worden?«
»Quatsch. Ich hab gekündigt. Ab Dezember ist sowieso Rauchverbot in der Redaktion.«
Nummer 37 wird aufgerufen.
»Aber was machst du denn jetzt?«
Sonnie hat Nummer 59.
»Vielleicht geh ich nach Schanghai. Ich war noch nie in Schanghai.«
Sonnies Telefon klingelt.
»Oder Tokio. Da wollt ich schon immer mal hin.«
»Keine Telefone, Ma’am«, sagt eine vorbeilaufende Krankenschwester zu Sonnie und zeigt auf ein Schild mit einem Sandwich, einem Becher, einem Telefon. Alles durchgestrichen. Auf dem Schild klebt ein Bush-Aufkleber. Auch durchgestrichen.
»Oder Afrika. Out of Africa.«
Das Display zeigt ZUHAUSE.
»Rhett?«, sagt Chola. Sonnie nickt und drückt den Anruf weg. Wegrudern, denkt sie, gegen den Strom. Harte körperliche Arbeit.
Nummer 38 wird aufgerufen.
»Das kann Stunden dauern. Wärn wir lieber bei mir in Midtown ins Krankenhaus gegangen. Wat wolltste auch unbedingt hierher?«
»Hab meine Gründe.«
»Willste nich mit Rhett sprechen?«
»Nein.«
»Also, ma langsam«, sagt Chola und legt den Arm um Sonnie. »Du hast erst den ollen Koffer gefunden, und dann gingen die Albträume los?«
Sonnie lässt den Kopf auf Cholas gefiederte Schulter sinken. »Meinst du, das hat was miteinander zu tun?«
»Weiß nich. Geh doch mal zu ’ner Hexe damit.«
»Hexe? Warum nicht?«
»Oder ich frag Pushit. Morgen.«
What if there is no tomorrow? There wasn’t one today.
»Wer ist Puschel?«
»Pushit. Mein aktuelles Fohlen. Kennste doch. Der is übersinnlich. Denk mal, beim Friseur nimmt er immer seine Haare mit und bewahrt sie in Tupperdosen auf, wegen Voodoo.«
»Ach ja, die Fohlen … Ich hab heute einen Mann gesehen, der hat mir gefallen.«
»Hihi, dann war der sicher alt und hässlich.«
»Er war … Ich hab ihn nur kurz gesehen … Er war ein großer schwarzer Mann.«
»’n Hengst also, kein Fohlen.«
»Rappe.«
»Rappe, gut. Wie alt?«
»Weiß nicht, so alt wie Rhetts Sohn?«
»Rhett hat’n Sohn? Fantasierst du schon wieder? Ich denke, der hasst Kinder? Ich denke, der hat keine und will keine?«
Sonnie sieht überrascht auf. Woher weiß Chola, dass Rhett keine Kinder will? Wieso kann sie fast wörtlich wiedergeben, was Rhett immer zu Sonnie sagt:
Kinder! Ich habe keine, und ich will keine.
Sie hat das Chola gegenüber nie erwähnt. Fortpflanzung war eines der Themen, die sie im stillen Einverständnis kinderloser Frauen nie diskutierten. Seit dem Tag, als Sonnie Chola gefragt hatte, ob ihre Katzen Kinderersatz seien und diese sie angeherrscht hatte, was denn das jetzt für eine blöde Journalistenfrage sei, hatte Sonnie das Thema nie mehr angesprochen und immer nur die Augen verdreht, wenn Dritte es ansprachen.
Es hatte drei Jahre gedauert, bis Sonnie Rhett und Chola
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