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Der Koffer

Der Koffer

Titel: Der Koffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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ist, zu umarmen.
    »Jaja, schon gut«, knurrt Chola. Sie schiebt sie weg.
    »Los, Taxifang!«
    Es dauert nur eine Minute, bis sie in einem Taxi Richtung Uptown sitzen.
    »Wie war das jetzt mit dem Mann, der dir gefallen hat? Großer schwarzer Mann?«
    »Ach, inzwischen gefällt mir ein anderer.«
    Chola nickt. »Klar. Lass mich raten. Der Doktor. George Clooney.«
    »In etwa«, sagt Sonnie. Und, leise, nach einigem Zögern: »Wir hatten gerade Sex.«
    Die Bombe detoniert nicht. Chola ist wieder eingedöst. Der Taxifahrer telefoniert auf Arabisch. Sonnie, Clooneys Gesicht vor Augen, starrt aus dem Fenster. Müllabfuhr. Straßenreinigung. Zeitungslieferanten. Osteuropäische Männer in Aluminium-Frühstücksbuden. Das Taxi hält an einer Kreuzung. Sonnie braucht einige Sekunden, um zu begreifen, was sie sieht.
    »Halt!«, schreit sie, als die Ampel auf Grün springt und das Taxi eben wieder angefahren ist. Vollbremsung. Chola schreckt auf. »Was issn? Schon da?«
    »Siehst du das?«, ruft Sonnie, klopft mit dem Gipsarm gegen das Fenster und schüttelt Chola mit dem anderen. »Siehst du das?«
    Chola blinzelt aus dem Fenster. »Wassn?«
    »Na, dort, im Schaufenster.«
    »Der Fotoladen?«
    »Ja, die Leute auf dem Foto da … siehst du? … hundertmal dasselbe Foto?«
    »Das ovale? Mit dem roten Rahmen?«
    »Das sind Rhetts Eltern!«
    »Quatsch!«
    »Doch, ich hab’s heute in seinem Schreibtisch … Der Mann mit der Fliege … Rhett hat gesagt, das sind seine Eltern … Es war sogar der gleiche Rahmen … komisch …«
    »Mensch, Mädel. Dein Windhund hat Windeier gelegt.«
    »Was denn nun?«, fragt der Taxifahrer.
    »Was schon! Weiter!«, brummt Chola.
    Der Himmel überm Empire State Building beginnt sich rot einzufärben. Bald werden die Hochhäuser in der Morgensonne glitzern.
    Chapter One. She was as tough and romantic as the city she loved. New York was her town, and it always would be …
    Sonnie lässt ihre Fensterscheibe herunter. Der Wind pumpt die Lungen mit Morgenluft voll. Sie steckt den Kopf aus dem Fenster. Die Queen zerrt an Sonnies Haar. Die Queen betastet ihre Wangen, ihre Lippen, ihre Stirn, leckt ihr Gesicht. Die Queen gibt Sonnie eine Mund-zu-Mund-Beatmung.

SIEBTES KAPITEL
    Als Rhett erwacht, ist er immer noch allein. Er liegt quer im Schlafnummer-Bett, mit dem Oberkörper auf seiner Seite – Schlafnummer 75 – und mit den Beinen auf Sonnies Seite – Schlafnummer 35. Aufgedeckt. Füße kalt. Er richtet sich ächzend auf. Er greift nach dem Telefon und ruft Sonnie an. Mailbox.
    »Hallo, hier ist Rhett … Wo bist du … Wann kommst du … Melde dich …«
    Geräusche der Hilflosigkeit, die er gern löschen würde, aber nicht löschen kann. Er schlurft am Koffer vorbei, dessen Inhalt auf dem Boden ausgebreitet ist. Ich werd’ schon genauso eine Schlampe wie Sonnie, denkt er.
    Moment. Sein Hirn kommt in die Gänge. Der Handspiegel auf dem Pornobild – das ist der Handspiegel aus dem Koffer! Er bleibt stehen, bückt sich, wühlt nach dem Foto, greift nach dem Spiegel, hält Foto und Spiegel nebeneinander. Es ist derselbe!
    Rhett steht auf. Er wühlt in seinen CDs. »Das gibt’s doch nicht«, murmelt er. »Die muss doch da sein. Die war doch neulich noch da!« Er überlegt, wann das war, neulich. Jahre her, dass er zum letzten Mal Duke Ellington gehört hat. Warum eigentlich? Musik ist für Rhett wie das Straßengitter, das sich durch Manhattan zieht. Musik ist die Ordnung schlechthin. An ihrkann er sich festhalten, nicht an sich selbst, nicht an Sonnie.
    Ganz unten, in einem Chaos aus offenen CD-Hüllen, wird er fündig.
    »Na also«, murmelt er. Und kämpft erfolgreich gegen den Impuls an, die CDs wieder zu ordnen. Fast hat er das Gefühl, als habe sich mit Ellington auch seine geistige Gesundheit wieder eingefunden.
    »Na also!« Er drückt auf EJECT und legt »Such Sweet Thunder« auf. Geschmeidig fährt die CD in den Schacht. Als die ersten Töne erklingen, hält Rhett inne, lächelt und nickt sanft im Takt. Alles ist wieder am Platz.
    Er wirft einen Blick auf die Uhr. Es ist morgens um zehn. Er geht ins Bad und blickt in den Badspiegel. Er sieht ungepflegt aus.
    Kennt er Sonnies Träume? Hat sie Wünsche geäußert? Weiß er, womit er ihr eine Freude machen könnte? Hat er jemals versucht, herauszufinden, womit er ihr eine Freude machen könnte?
    Allons enfants de la patrie, le jour de gloire est arrivé!
    Es ist die Türklingel.
    Die Türklingel spielt die ersten Takte der Marseillaise. Auf

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