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Der Kofferträger (German Edition)

Der Kofferträger (German Edition)

Titel: Der Kofferträger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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nicht so leichtsinnig sein und eine Falschmeldung herausgeben. Frau Cresson ist doch nicht blöd.“
    „Ach, die nicht, aber wohl ich?“
    Anita hielt in ihrer Wanderung abrupt inne, starrte zornig auf ihren Onkel.
    „Nur weil ich etwas Außergewöhnliches gesehen habe, bin ich doch nicht verrückt. Ich hab ihn gesehen, er ist sogar für einen Moment im Haus gewesen, er wollte meine Hilfe haben.“
    „ Anita beruhige dich doch.“ Der Kanzler dachte, wenn sein Neffe tatsächlich nicht tot wäre, würde er nicht auch noch versuchen, seine Frau im eigenen Haus, und das noch in Anwesenheit der Polizei, zu besuchen. Das aber verriet er nicht.
    „Ich verspreche dir, wir werden alles aufklären.“
    „Und wenn wir seine Leiche nicht bekommen?“
    „Wir werden sie bekommen.“
    „Angenommen, er würde leben. Gäbe es eine Gefahr für uns?“
    H.  B. dachte ein paar Sekunden nach, während derer er an seiner Zigarre sog.
    „Er könnte Ärger machen, aber er ist tot. Das Beste, was uns passieren konnte.“
    „Wenn er uns Ärger machen kann, warum setzt du dann nicht alles daran, um das zu klären?“
    „Weil ich weiß, dass er tot ist.“
    „Woher weißt du, dass er tot ist?“
    „Aus Zürich.“
    „Hast du nachgefragt? Wie ist es geschehen, wann genau, unter welchen Bedingungen?“
    In dieser Form hatte er seine Nichte noch niemals gesehen. Aufgekratzt , nervös, unsicher.
    „Wenn ich nachfrage, zweifele ich unsere eigenen Anordnungen an.“
    „Welche?“
    „Nicht mehr nachzufragen. Das haben wir aus Sicherheitsgründen so gemacht.“ Seine Stimme wurde schärfer, die Zigarre drohte auszugehen.
    Anita sah, wie sie ihren Onkel an den Rand der Selbstbeherrschung trieb. War es aufgrund ihrer Zweifel an den Anordnungen des Kanzlers oder aufgrund eines Fehlers, den er sich eingestehen musste? Je mehr Sicherheit sie für sich selbst finden musste, umso weniger würde sie auf ihn Rücksicht nehmen.
    „Du wirst doch deine Mitarbeiter kontrollieren können? Hast du Angst vor der Cresson?“
    „Was? Warum denn das? Jetzt reicht es mir, Anita. Reiß dich zusammen. Im Nachhinein lässt sich alles leicht kritisieren.“
    In ihrem Kopf hatte nur noch die Angst Platz gefunden, sie könnte, all das, was sie aufgebaut hatte verlieren. Die Auseinandersetzung nahm an Schärfe zu.
    „Die Cresson soll eine besonders attraktive Person sein“, stach sie in dieselbe Wunde.
    „Hässlich wie die Nacht.“
    „Aber mit exquisiten Eigenschaften für die Männer, die beim Akt ihre Augen schließen können.“
    „Sei ein wenig leiser, Marga kommt gerade herein.“
    Tante Marga ging lächelnd ihrer Aufgabe nach und servierte einen dampfenden Kaffee. Als sie die Tassen auf den runden Tisch herrichtete, sah Anita ihre Chance gekommen, das Thema endgültig zu lösen.
    „Gut, denn“, sagte sie, wie um den Abschluss eines Gespräches zu bestätigen. „Ich werde nach Zürich fliegen und die Cresson befragen. Oder willst du das selber machen?“
    Bei den letzten Worten schaute Marga ängstlich auf, stieß dabei gegen eine Tasse und verschüttete den Kaffe. Die braune Brühe breitete sich schnell auf dem kleinen Tisch aus.
    „Oh, Verzeihung. So ein Mist.“
    Sie schaute ärgerlich auf ihre Nichte.
    „Was hast du mit der Cresson?“
    „Ich nicht.“
    Noch böser schaute Marga auf ihren Mann, mit halb geöffnetem Mund, als wäre eine Frage im Hals stecken geblieben.
    „Tante, ich habe Jürgen gesehen.“
    Das Tablett mit der letzten Tasse fiel auf den Boden. Marga wurde bleich. Der heiße Kaffee verteilte sich über ihre Beine.
    „Du hast was?“
    Noch ehe Anita antworten konnte, herrschte der Kanzler seine Frau an.
    „Nun mach doch mal den Mist da weg.“
    Marga griff zu ihrer Schürze und wischte mit zitternden Fingern die Brühe auf.
    „Sie glaubt, sie hätte Jürgen gese hen“, fuhr H. B. inzwischen fort,
    „Jürgen aber ist längst tot. Anita meint, an ihrem Haus ist er aufgetaucht. Schon oft hat man davon gehört, dass Angehörige meinen, sie hätten den Toten noch einmal irgendwo gesehen. Das ist der Stress, die Unsicherheit. Bald wird alles vorbei sein.“ Erst langsam konnte er sich wieder beruhigen. Der Stachel mit der Cresson hatte gesessen. Was fiel dem Kind eigentlich ein, so was zu sagen?
    „Und wenn sie recht hat? Ich vertraue dieser Cresson nicht, das ist ein unmögliches Biest.“
    Die Nichte spürte den Krach, den es irgendwann zwischen H. B. und Marga wegen Cresson gegeben hatte. Ihr war es egal. Die

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