Der Kofferträger (German Edition)
überzeugende Gründe für die Einführung von ‚Nicoclean‘, auch wenn sie in diesem Gespräch nicht erwähnt wurden. Das kristallisierte sich als Fazit für Jürgen Schütz aus der Präsentation heraus.
Über dem braun gebrannten Gesicht des Chemie Bosses glänzte sein dunkelhaariger Schopf, der beinahe nicht als Toupet zu erkennen war. Jede Wahlrede von ihm käme einer erfolgreichen Überzeugungstat gleich.
„Wir werden weiterhin über Herrn Schweiger in Kontakt bleiben“, verabschiedete sich der Vorstand beim Gehen. Schütz warf erschreckt seinen Kopf herum, er schaute dem wie ein Wolf lächelnden Dietrich ins Gesicht. Frau Hubert geleitete die Herren aus dem Gebäude.
Nachdem sich auch der schweigsame Gesundheitsminister aus dem Büro des Kanzlers verabschiedet hatte, schaute H.B. grinsend, ohne einen Ton zu sagen, auf seinen Neffen.
„Ich könnte einem solch willkürlichen Unterfangen nicht zustimmen“, wies Schütz jegliche weitere Frage von vornherein von sich. „Die bundesdeutsche Wirtschaft spielt doch dabei keine Rolle. Das Ansehen des Staates sehe ich eher durch eine solche Droge gefährdet. Es geht den Herren noch nicht einmal um die Gesundheit der Raucher. Das hat Dietrich zum Schluss zu erkennen gegeben. Er hat sie nicht mehr erwähnt.“
„Nun, eine endgültige Entscheidung steht noch aus.“
„Es geht ganz allein um die Macht- und Geldgier des Pharmakonzerns MESF AG.“
„Wir sollten die ethischen Absichten eines solchen Konzerns nicht unterschätzen“, beteuerte H.B., „Ich habe einige Zeit in der Pharma gearbeitet, ich weiß um das gesundheitliche Ringen der Wissenschaftler.“
„..und der Experten.“
Genau der Hinweis seines Onkels über seine frühere Arbeitsstätte machte ihn wütend. „Was für ein Experte ist Professor Merker, wenn er mir auf meine besorgten Fragen keine klare Antwort geben kann. Er wollte es nicht und reagierte immer aggressiver. Ich mag diese sogenannten Experten nicht. Sie zeichnen sich durch Scheuklappen aus. Merker kann doch nicht einmal über sein Reagenzglas hinwegsehen.“
„Du hast es denen ja auch ordentlich gegeben.“
„Wann wird sich das Volk endlich einmal gegen solche Tyrannen auflehnen? Was ist das für eine Zigarette, diese ‚ Happy Hour ‘? Hier geht es sichtlich nur um Geld.“
Nichts ließ er von seiner Recherche des Vortages in Kaisermühl durchsickern.
„Diese Zigarette macht die Raucher abhängig, wie sonst keine.“
„Ich bin davon überzeugt, ‚Nicoclean‘ wird den Rauchern helfen.“
„Sie müssen es zunächst an sich selber testen.“
Er konnte sich keinen Schritt weiter mehr leisten. Seine Signale waren gesetzt.
„Woher weißt du so viele Details?“, wollte der Alte wissen. Die Stimmung des Onkels wurde sichtlich schlechter.
„Nach deiner Terminankündigung habe ich mich einfach schlaugemacht“, Schütz hoffte, beim Kanzler einen kleinen Funken Gewissen zu entdecken.
„Onkel, versage der MESF deine Zustimmung.“
Schütz hatte sich in Rage geredet. Mit Milde und Höflichkeit war diesen Mafiosi in Weiß nicht mehr beizukommen.
„Deine Anwesenheit war keine politische Entscheidung, eher eine familiäre. Ich lege sehr viel Wert auf deine Meinung.“
Sein Neffe ging noch einen Schritt weiter. „Ich halte die Machenschaften der MESF für Betrug an den Menschen. Niemals könntest du dafür meine Zustimmung erhalten.“
„Jürgen“, der Aufruf des Kanzlers ließ Schütz plötzlich tiefer in seine Augen blicken . Eiseskälte ließ ihn erzittern.
„Politik ist kein Sandkastenspiel, in dem man sich um kleine Förmchen streitet. Wir haben größere Ziele. Auch du wirst dich ihnen unterordnen.“
Schütz erschrak wegen der plötzlichen Änderung der Argumentation.
„Du bist Generalbevollmächtigter der Schatzmeisterei unserer Partei. Vieles, von dem was hier entschieden wird, verstehst du nicht.“
Das war eine andere Sprache. Was bedeutete das für ihr zukünftiges Verhältnis? In dem fein gewebten Netz aus Zuneigung und Verständnis tat sich eine Lücke auf.
Frau Hubert kündigte einen Anrufer an. H.B. komplimentierte seinen Neffen mit einer Handbewegung hinaus. Noch in der Tür stehend bekam Schütz die ersten Worte des Telefongespräches mit:
„Nein, Schweiger, wir sind bisher noch zu keinem ...“, das reichte ihm, er verließ wütend das Büro.
„Die Politik ist das Machbare unter den gegebenen Umständen.“ In diese Falle war Schütz schneller hineingeschliddert, als er sich zuvor
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