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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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Einmal wären sie ihnen beinahe entkommen, aber der Mann, den Hosteen Joseph angeschossen hatte, ist vom Pferd gefallen, und der andere mußte anhalten, um ihm wieder in den Sattel zu helfen. Sie sagen, daß Delbito Willie auch den zweiten Mann getroffen, aber nicht getötet hat. Die beiden Weißen sind schließlich in ein Gebiet mit erstarrter Lava geritten, das für Pferde selbst tagsüber gefährlich ist. Die Männer aus dem Yucca Fruit Clan folgten ihnen langsam und hielten sich weit zurück, weil der Mann mit dem gelben Schnurrbart sogar im Sattel ein guter Schütze war. Zuletzt haben sie dann die Stelle gefunden, wo die beiden Weißen ihre Pferde zurückgelassen hatten und in die Felsen hinaufgeklettert waren.
    Chee überflog den Rest. Als einer der Weißen am nächsten Morgen herauszukommen versuchte, wurde er wieder getroffen - diesmal vermutlich am Arm - und zog sich in die Felsen zurück. Die Navajos warteten diesen ganzen Tag und auch den darauffolgenden ab. Sie tranken ihr eigenes Wasser und das aus den Feldflaschen der Weißen, die an den Sätteln hängengeblieben waren. Am Morgen des vierten Tages stieg Delbito Willie endlich in die Felsen hinauf und folgte den blutigen Spuren, bis er auf die Leichen der beiden Männer traf. Danach kehrten seine Begleiter und er mit allen Pferden in ihre Heimatjenseits der Carrizo Mountains zurück. Wegen ih-rer Verseuchung durch die Utes und die Weißen fand dort für sie alle eine Heilungszeremonie statt.
    Chee befaßte sich etwas eingehender mit dem Teil, in dem Ashie Pinto diese Zeremonie beschrieb:... einen Gesang des Sieges über die Feinde und einen Teil des Gesangs zur Beschwörung des Bösen, der offenbar allein für Delbito Willie bestimmt gewesen war. Die Erläuterungen des alten Schamanen weckten Erinnerungen an eine Heilungszeremonie, die er als kleiner junge miterlebt hatte. Geleitet hatte sie ein hagerer, auffällig großer  hataalii,  der ihm unglaublich alt vorgekommen war. Die Patientin war Chees Großmutter väterlicherseits gewesen, die er mit der Intensität eines einsamen Kindes geliebt hatte, und die damalige Zeremonie war eine seiner frühesten Kindheitserinnerungen.
    Der kalte Wind, der Sternenschein, der Pinon-und Wacholderduft der großen Feuer, die eine abgesteckte Tanzfläche erhellten... Noch jetzt hatte er diese Szene deutlich vor Augen, und der Duft, den er dabei zu riechen glaubte, war stärker als der leichte Modergeruch von Tagerts Büro. Am nachhaltigsten hatte sich ihm eingeprägt, wie der  hataalii  mit seiner Rassel aus einem Schildkrötenpanzer und einem Gebetswedel aus Adlerfedern groß und grau und hager über seiner Großmutter stand und mit sonorer Stimme die Verse aus dem Lied der Wiedergeburt sang, um Old Lady Many Mules wieder eins werden zu lassen mit White Shell Girl und ihr Harmonie und Schönheit zurückzugeben.
    Und das war ihm in der Tat gelungen. Chee wußte noch, wie er bei ihr geblieben war, mit seinen Vettern und ihren Schäferhunden gespielt hatte und glücklich gewesen war, weil seine Großmutter wieder lachen konnte. Natürlich war sie dann gestorben. Sie hatte Lungenkrebs - vielleicht auch Tuberkulose - gehabt und war daran gestorben. Aber die Zeremonie hatte ihn auf die Idee gebracht, er könnte sich die großen heilenden Wege, die Lieder und die Sandbilder aneignen, um ein  hataalii  für sein Volk zu werden. Nur leider ließ sein
    Volk nicht den Wunsch erkennen, ihn zu einem seiner Schamanen zu machen.
    Chee mußte unwillkürlich aufgelacht haben, denn die Jacobs fragte: »Was finden Sie so lustig? Haben Sie etwas Interessantes gefunden?«
    »Mir ist bloß gerade etwas eingefallen«, sagte Chee.
    »Was denn?« erkundigte sie sich. »Vor Ihrer Komplizin dürfen Sie keine Geheimnisse haben.«
    »Ich habe gelesen, was Ashie Pinto dem Professor über einige Navajos erzählt hat, die als Pferdediebe unterwegs waren«, beantwortete Chee ihre Frage. »Nach ihrer Rückkehr fand eine Heilungszeremonie für sie statt - und dabei habe ich an meinen Kindheitstraum gedacht, selbst einmal Medizinmann zu werden.«
    Aus dem Blick der Jacobs sprach Neugier. Oder vielleicht Mitgefühl. Oder beides. Chee erwiderte ihren Blick und verzog das Gesicht. Jean Jacobs sah zu Boden.
    »Steht dort irgend etwas, das dazu beitragen kann, Tagert zurückzubringen, damit ich nicht mehr für ihn mitschuften muß?« fragte sie.
    Chee zuckte mit den Schultern. »Leider nicht«, sagte er. »Vielleicht hab' ich's auch einfach

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