Der Kollapsar
Vielleicht war es auch Gleichgültigkeit, dachte Flinx, als er halb erstickte Flüche und Schreie hinter der gelben Quarzsäule hörte.
Und dann verwandelte sich vor seinen Augen eben diese Säule in einen riesigen Diamantborkenbaum, an dem blaue Funken blitzten. Drei Schemen huschten hinter dem Baum hervor.
Die Flügel schlugen wie wild, als Pip zur Landung ansetzte, den Schwanz wie eine Hand vorgestreckt. Er Angelte sich um Flinx Schulter, und dann rollte sich der Schlangenleib um den ausgestreckten Arm des Jungen, während die gefalteten Schwingen sich an den zylindrischen Körper legten. Flinx konnte die Spannung fühlen, unter der der Minidrach stand; er bemerkte, daß der Atem des Kleinen schneller ging. Geschlitzte Augen huschten wachsam nach links und rechts.
Ein zweiter Minidrach, Balthasar, der fast die Größe einer Boa constrictor hatte, legte sich um Rücken und Arme des trauernden Pocomchi. Die lange spitze Zunge schoß besorgt vor und zurück, berührte den Indio an der Wange, den Augen, suchte.
Flinx sah zu, wie Habibs Minidrach sich auf dem Rücken seines Meisters niederließ. Dort lag er kurz, dann glitt er nach vorne, um den Kopf zu untersuchen. Nach einigen Minuten entfalteten sich die großen Schwingen. Die Flugschlange flatterte nach vorne, bis sie vor Habibs Gesicht in der Luft hing. Lederne Schwingen schlugen heftig die Luft, trieben dem reglosen Mann Wind in Mund und Nase.
So verstrichen einige Minuten, bis der Minidrach sich schließlich vor dem reglosen Kopf Habibs zu Boden ließ. Dort rollte er sich ein, und so blieben sie, Angesicht zu Angesicht, reglos.
Erst jetzt bemerkte Flinx, daß er immer noch Abs Beine festhielt. Kaum hatte er ihn losgelassen, als der Exote sich wieder aufrichtete. Gleichgültig gegenüber allem, was geschehen war, machte Ab sich daran, eine Baumwurzel zu inspizieren.
Flinx kroch, ohne den Quarzbrocken aus den Augen zu lassen, zu Pocomchi. Er war immer noch vorsichtig, hatte aber das Gefühl, daß sich hinter dem gelben Felsen jetzt keine Gefahr für ihn mehr verbarg.
Es erübrigte sich, das Offensichtliche zu bestätigen. Er hatte den Tod in Habibs Augen gesehen, ehe der Mann in den Sand fiel. »Schau, es tut mir leid«, flüsterte er. »Wir sollten versuchen, hier zu verschwinden.«
»Warum?« Pocomchis gequälter Blick suchte Flinx. Als er dann weitersprach, erkannte Flinx, daß die Frage nichts mit dem zu tun hatte, was er vorgeschlagen hatte.
»Wir haben nie einen Claim gestohlen, uns nie Feinde geschaffen«, fuhr der kleine Mann fort. Seine Augen wanderten wieder zu der reglosen Gestalt am Boden. Jetzt veränderten sich Sand und Kies abrupt und gefühllos und wurden zu blauem Gras.
»Drei Jahre. Drei Jahre haben wir geschuftet und gewühlt auf dieser trostlosen Welt. Drei Jahre! Andere rings um uns haben es geschafft. Aber nicht wir. Niemals wir.« Seine Stimme wurde lauter. »Warum nicht wir? Warum nicht wir?«
Flinx versuchte ihn zu beruhigen. Andere Gäste starrten zu ihnen herüber. Er wollte jetzt um nichts in der Welt Fragen gestellt bekommen, die er nicht beantworten konnte. So versuchte er, Pocomchi an der Schulter zu fassen und herumzudrehen.
Aber in dem Augenblick, da Pocomchi die Berührung spürte, riß er sich heftig los. »Rühr mich nicht an!« Er zitterte; seine Stimme war voll mörderischer Wut.
Flinx zögerte einen Augenblick lang, dann ging er in die Hocke. Während er wartete, wanderte sein Blick immer wieder zu dem gelben Massiv hinüber, aus dem jetzt eine Ansammlung von Sutrobüschen geworden war. Pocomchi schien langsam ruhiger zu werden. Flinx beschloß zu warten, auch wenn ihn das gefährdete, bis der Indio wieder ein gewisses Maß an Kontrolle über sich zurückgewonnen hatte.
Also wandte er seine Aufmerksamkeit der Leiche zu seinen Füßen zu. Da war kein Blut zu sehen, keine sichtbare Wunde. Er mußte sich weit vorbeugen, um zu erkennen, wo der Draht mit der Nadelspitze den Toten berührt hatte. Habibs Hemd hatte hinten ein kleines Loch, das an den Rändern geschwärzt war. Und über diesem Loch war immer noch ein ganz typischer Geruch wahrzunehmen: Ozon.
Zumindest hatte der Prospektor nicht gelitten, sagte er sich dankbar. Der Tod war ganz plötzlich gekommen, in dem Augenblick, da die Nadel ihn berührt hatte.
Eine Hand griff nach seiner Schulter. Er blickte erschrocken auf, entspannte sich dann aber. Pocomchi stand über ihm und blickte auf die Leiche seines Freundes herunter.
»Jetzt ist es gut, Flinx. Ich
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