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Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Titel: Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Paul Niemann
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klingelte das Telefon, und schon bevor sie
abgehoben hatte, wusste sie, dass es wieder die Mutter vom Patrick Sperling
sein würde, mit ihrer verweinten Stimme, die ihr für den Rest des Abends
Depressionen bescheren würde.

10
    Die Flasche Bordeaux auf
dem Tisch war bereits zur Hälfte geleert. Wie Blut funkelte das dunkle Rot im
Kerzenlicht. Das Fenster stand weit offen, der Mond groß und rund wie eine
silberne Schale. Bei Vollmond konnte sie niemals schlafen. Ihre linke Hand
näherte sich der Kerzenflamme.
    »Nur wer sich selbst
überwindet …«, flüsterte sie mit Schweiß auf der Stirn.
    In ihrer Handfläche
zischte es. Erst dann zuckte sie zurück.
    »Den Hebel ansetzen, wo
er am wirkungsvollsten ist. Dort, wo er am meisten schmerzt.«
    In ihrer Hand pochte es
nun. Morgen würde sich die Haut dort abzulösen beginnen.
    »Abtötung …«, flüsterte
sie.
    Schmerzen ertragen.
Stärke beweisen. Sie hatte viel gelernt. Dann schenkte sie sich das Glas wieder
voll, presste die schmerzende Hand fest gegen das kühle Glas.
    Maria war der Schlüssel.
Über Maria führte der Weg zu dem Kometen. Und sie erwartete ein Kind. Ihre
größte Schwachstelle. Ihre Achillesferse. Angst musste es sein. Angst machte
dumm. Und vertrauensselig. Die Nadeln dorthin stechen, wo die Nerven zuckten.
In die Schläfen, hinter die pochende Stirn, ins furchtsame Herz. Um dieses
kleine Würmchen zu schützen, würde die dumme Kuh sicher alles tun. Auch hinter
dem Rücken ihres Mannes. Ganz bestimmt sogar.
    »Ich muss nur einmal an
sie herankommen. Sie richtig in die Finger kriegen und ihr ein paar Dinge ins
beschränkte Hirn reinstopfen, bis sie zittert und heult und so weich wie
Knetmasse wird …«
    Sie drückte die
Fernbedienung des CD -Players. Das Alphorn begann
zu dröhnen, ganz aus der Tiefe, wie Atemzüge aus dem Maul eines vorzeitlichen
Ungeheuers. Eulenschreie, die von den kahlen Wänden ihrer Stube widerhallten.
    »Dort, wo es am meisten
schmerzt!«, sagte sie mit leichtem Lallen und bohrte sich die eigenen Krallen
so fest in die verletzte Hand, dass tiefe rote Male auf der verbrannten Haut
entstanden. Dann trank sie das Glas in einem Zug leer.

11
    Das Gewitter kam nicht
näher. Es schien über dem Chiemsee festzuhängen. Die Luft war unerträglich
schwül. Seit Stunden wälzte Maria sich zwischen den schweißnassen Laken, halb
wach, halb schlafend, gejagt von Träumen, die sie erschaudern ließen. Neben ihr
schnarchte ihr Mann ganz ruhig vor sich hin, ein formloses Bündel unter der
Bettdecke, die er trotz der Hitze bis zu den Ohren hochgezogen hatte.
    Geräuschlos glitt Maria
aus dem Bett und trat barfuß ans Fenster. Ihre Pantoffeln klapperten immer, und
sie wollte Xaver nicht wecken. Die Fensterflügel waren nur angelehnt. Sie hatte
das Gefühl zu ersticken und schob sie auf. Die Scharniere quietschten leise.
Draußen regte sich kein Lüftchen, selbst die Blätter der kleinen Pappel neben
der Auffahrt verharrten völlig reglos. Nur das Grummeln in der Ferne dauerte
an. Der runde Mond versteckte sich hinter einer Wolke.
    Plötzlich schrie eine
Eule. Maria zuckte zusammen. Das Geräusch war so nahe gewesen, als säße der
Vogel direkt über ihr. Der Xaver schlief wirklich den Schlaf des Gerechten, er
hatte sich nicht einmal geregt. Ihr aber klopfte das Herz bis zum Hals, und mit
einem Mal erinnerte sie sich an den Traum, der sie geweckt hatte.
    Auch in ihrem Traum
hatte eine Eule geschrien, und eine kalte Hand hatte sich um ihr Herz gelegt
und es immer weiter zusammengedrückt, bis sie kaum noch atmen konnte. Durch die
Luft streiften schwarze Schatten, vielleicht waren es Fledermäuse, und eine
davon verfing sich in ihrem Haar. Spitze, kleine Zähne bleckten. In den Krallen
trug der nächtliche Jäger ein totes Küken, dem Blut aus der Kehle tropfte.
    »Was für ein Unsinn.
Fledermäuse fangen doch gar keine Küken«, flüsterte Maria.
    Ein Schauer lief ihr
über den Rücken, und plötzlich war sie nicht mehr so sicher, ob sie wirklich
wach war und am Fenster ihres Schlafzimmers stand. Vielleicht träumte sie immer
noch. Vielleicht war auch das dunkle Bündel dort auf dem Bett gar nicht ihr
Mann, sondern unter der Decke verbarg sich ein großer Bär oder vielleicht …
    »Der Teufel!«, schrie
sie und griff sich ans Herz.
    In diesem Moment
schreckte sie erneut aus dem Schlaf und rang nach Luft. Mit zitternden Fingern
suchte sie nach dem Schalter der kleinen Lampe auf dem Nachtkästchen.
    Xaver Birnbaum war
hochgefahren.

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