Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
»Was ist denn?«, fragte er mit rauer Stimme.
»Ein Traum. Ein ganz
furchtbarer Traum …«, flüsterte Maria.
»Komm her und mach das
Licht wieder aus«, brummte er.
Sie schmiegte sich in
seine Arme. Er begann schon wieder zu schnarchen. Das Fenster stand weit offen.
Über den Tannen blitzte es nun. Eine Eule schrie. Sie war auf der Jagd.
Es hielt Maria nicht
mehr im Bett. Sie würde ohnehin keine Ruhe finden. Ganz leise stand sie auf,
nahm ihren Morgenmantel von der Stuhllehne, schlüpfte hinaus in den Flur und
schlich sich die Treppe hinauf in das kleine Zimmer mit der Orchidee. Sie
machte Licht, schaltete den PC ein und öffnete
das Kästchen, in dem sie Glückwunschkarten und Briefumschläge aufbewahrte.
»Wenn man im Dunklen
fischt, muss man viele Netze auswerfen …«
Ihre Großmutter, die
gestorben war, als Maria vierzehn war, hatte für jede Gelegenheit ein
Sprüchlein parat gehabt, und die meisten davon waren gar nicht dumm gewesen.
Viele Netze brauchte es. Die verlorenen Wortspielereien, die irgendwo in ihrem
Hinterkopf schliefen, waren erwacht. Ganz plötzlich hatte sie sich erinnert.
»Himmlische Fügung eines
Blitzes …«
Ihre Zähne klapperten
leicht. In dem Kästchen lag auch der Artikel aus der Traunsteiner Morgenpost
über den Fund des Kometen. Der Xaver hatte ihn fortwerfen wollen, sie aber
hatte ihn sorgsam ausgeschnitten. Wort für Wort las sie ihn nun noch einmal.
»Ein Haufen übereifriger Forscher und anderer Verrückter auf der Suche nach
ihrem persönlichen Heiligen Gral, den sie, Dank der himmlischen Fügung eines
Blitzes, nun auf dem Acker des braven Landmanns Xaver Birnbaum entdeckt zu
haben glauben …«
Das war es, was ihr seit
Tagen im Kopf herumspukte: Die himmlische Fügung. Und der Komet war kein
Unglücksbote, sondern der Heilige Gral.
Maria zog sich den
Morgenmantel vor der Brust zusammen. Wie kam dieser Reporter dazu, so einen
hanebüchenen Unsinn zu schreiben? Waren das alles nur Luftblasen? Und was
sollte das eigentlich bedeuten: Ein Haufen Forscher und anderer Verrückter …
Wer war damit gemeint? Die Neugierigen aus Palling? Die Zaungäste, die sich
eingefunden hatten und das Treiben auf dem Acker belächelten oder mit launigen
Sprüchen kommentierten?
»Wahrscheinlich auch
eine Luftblase«, murmelte sie. »Vielleicht wollte der Depp einfach nur mit
Dreck werfen und sich wichtigmachen.«
Aber wenn er dabei
zufällig ins Schwarze getroffen hatte? Oder zumindest in die richtige Richtung?
Auf Zehenspitzen ging
Maria nach unten in die Küche und brühte sich einen Kamillentee auf. Wieder in
dem kleinen Zimmer, legte sie sich eine Decke um die Schultern und zog die Füße
im Sessel hoch. Vorsichtig pustete sie in die Tasse, um den heißen Sud ein
wenig abzukühlen. Der frühe Morgen wurde nun doch frisch. Dann klickte sie die
Seite der bayerischen Landfrauen an, wo es einen Chatroom gab, der zeitweise
recht lebhaft frequentiert war. Die Wally aus Altötting saß um die Zeit auch
schon an ihrem PC , weil sie wegen dem Mond nicht
schlafen konnte. Bald war Fronleichnam. Die Wally war im kirchlichen
Organisationsteam für die Prozession ihrer Gemeinde und suchte noch freiwillige
Helfer. Dann fragte sie nach einem Rezept für Wildkaninchen auf Jägerart, und Maria
begann die Plauderei zu langweilen.
»Ich habe etwas zu
verkaufen«, schrieb sie stattdessen. »Kannst du mir vielleicht einen Rat
geben?«
»Hängt davon ab. Sachen
von deinem Sohn?«
Maria überlegte einen
Moment, bevor sie antwortete. »Eine Art Reliquie. Etwas Außergewöhnliches.«
»Eine Reliquie? Von
welchem Heiligen? Oder willst du mich veralbern?«
»Nicht so eine Reliquie.
Ein Stein. Man könnte ihn einen Talisman nennen.«
»Da bist du bei mir an
der falschen Adresse, Maria. So ein abergläubisches Zeug, das solltest du bei
uns nicht loszuwerden versuchen!«
Mist, dachte Maria. Das
war ja klar gewesen. Ausgerechnet die Wally um Rat zu fragen, die alte Spinatwachtel,
war auch mehr als dumm.
Als sie die Seite der
Landfrauen gerade schließen wollte, kam doch noch eine Antwort, nicht von der
Wally freilich, sondern von der Hanna, die sich zugeschaltet hatte: »Versuch es
auf einer Esoterik-Seite. Da gibt es Online-Shops, bei denen werden solche
Sachen gehandelt. Viel Glück!«
»Esoterik«, murmelte
Maria und stützte ihr Kinn auf die Hände, »noch so ein Schmarrn. Was hat denn
der Meteorit mit Esoterik zu tun?«
Sie studierte ein
weiteres Mal den Zeitungsausschnitt. Das Foto, das den
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