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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Krysia sagt, ich müsse mir keine Sorgen machen, und ein paar Tage später stellt sich heraus, dass sie recht hat. Der Widerstand scheint in ganz Polen Kontakte zu haben, und so gibt es Leute in Gdańsk, die bezeugen, dass sie eine Anna Lipowski kennen, dass sie ihre Nachbarin, ihre Kollegin, ihre Mitschülerin war. Und jeder von ihnen betont, wie schrecklich doch der Tod ihrer Eltern gewesen ist. Am Freitagmorgen – also fast eine Woche nach der Gesellschaft bei Krysia – wird mir durch einen Boten mitgeteilt, dass meiner Einstellung nichts mehr im Wege steht und ich mich am kommenden Montag im Büro des Kommandanten melden soll.
    “Wir müssen morgen in die Stadt gehen”, sagt Krysia am Samstagabend, nachdem wir Łukasz zu Bett gebracht haben.
    “Morgen?” Im Flur drehe ich mich verwirrt zu ihr um. Die Geschäfte sind am Sonntag geschlossen.
    “Wir müssen in die Kirche gehen.” Als sie meinen fassungslosen Gesichtsausdruck bemerkt, fährt sie fort: “Die Frau des Bürgermeisters machte uns doch darauf aufmerksam, dass ich mit dir und Łukasz noch nie in der Kirche war.”
    “Ach, ja”, bringe ich schließlich heraus. Gegen diese Logik kann ich nichts einwenden. Krysia ist eine strenggläubige Katholikin, und es ist nur folgerichtig, davon auszugehen, dass das auch auf Łukasz und mich zutrifft. Dennoch kann ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, einen katholischen Gottesdienst zu besuchen.
    “Es tut mir leid”, sagt sie. “Uns bleibt keine andere Wahl, wenn wir den Schein wahren wollen.”
    Ich erwidere darauf nichts, sondern gehe in mein Schlafzimmer und öffne den Kleiderschrank. Lange Zeit betrachte ich meine Kleider und überlege, welches davon eine junge katholische Frau in meinem Alter beim Kirchgang trägt.
    “Das Helle”, meint Krysia, als sie sich hinter mich stellt.
    “Das hier?” Ich halte ein beigeweißes Baumwollkleid mit halblangen Ärmeln und vorderer Knopfleiste hoch.
    “Ja. Ich werde mir einen Tee kochen. Möchtest du auch einen?”, fragt sie.
    Ich nicke und folge ihr nach unten in die Küche. Wenig später bringen wir unsere Teetassen in den Salon. Mir fällt Krysias Strickzeug und ein Knäuel hellblaue Wolle auf dem niedrigen Tisch auf. “Ich stricke einen Pullover für Łukasz”, lässt sie mich wissen. “Ich glaube, im nächsten Winter kann er den gut gebrauchen.”
    Im nächsten Winter. Krysia geht also davon aus, dass wir dann immer noch bei ihr sind. Ich weiß nicht, warum mich das überrascht. Die Deutschen halten Polen nach wie vor besetzt, und wir können nirgendwo anders hin. Trotzdem sind es noch mindestens sechs Monate bis zum nächsten Winter. Mein Herz wird schwer, als ich an Jakub denke und mir vorstelle, noch für so lange Zeit von ihm getrennt zu sein.
    Ich versuche, meine Traurigkeit zu überspielen, und halte die Stricknadeln hoch, um Krysias Arbeit zu begutachten. Bislang hat sie erst ein paar Reihen gestrickt, aber an den kleinen, gleichmäßigen Maschen kann ich erkennen, dass sie mit großer Sorgfalt arbeitet. Es wird ein sehr schöner Pullover werden. Mir fällt auf, wie gekräuselt die Wolle ist, und dann wird mir klar, dass sie einen von ihren Pullovern aufgeribbelt haben muss, um das Knäuel zusammenzubekommen. “Die Farbe passt genau zu seinen Augen”, bemerke ich und bin einmal mehr gerührt, was Krysia alles für uns tut.
    “Das dachte ich mir auch. Kannst du stricken?”, fragt sie, aber ich muss verneinen. “Komm, ich zeige es dir.” Bevor ich sie davon abhalten kann, rückt sie auf dem Sofa zu mir, legt die Arme um mich und ihre größeren Hände auf meine. “Es geht so.” Sie beginnt, meine Finger in den Schritten zu bewegen, die für eine Masche notwendig sind. Die Berührung durch ihre zarten Hände lässt mich an Jakub denken, was eine ganze Flut von Erinnerungen auslöst, sodass ich kaum die Stricknadeln fühlen kann. “So einfach ist das Ganze”, sagt sie Minuten später und lehnt sich zurück. Erwartungsvoll sieht sie auf die Nadeln, als könnte ich jetzt ohne sie weiterstricken. Stattdessen lasse ich die Arme hilflos sinken.
    “Es tut mir leid”, erkläre ich und lege Nadeln und Wolle zurück auf den Tisch. “Ich bin in solchen Dingen nicht sehr gut.” Das entspricht der Wahrheit. Als ich zwölf war, gab meine Mutter es auf, mir das Nähen beizubringen, und erklärte meine weiten, ungleichmäßigen Stiche zu einer Abscheulichkeit. Ich muss jetzt nur die Stricknadeln ansehen und weiß, Krysia wird meine unbeholfenen

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