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Der Kontinent der Lügen

Der Kontinent der Lügen

Titel: Der Kontinent der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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vom Irrenschiff nach Hause fuhr,
wiederholte ich Urilla alles, was ich von Martas zusammenhanglosem
Gerede im Gedächtnis behalten hatte. Ich erzählte von
Todesbaumschätzen und großen Werken, die in meinem Gehirn
heranreiften.
    »Ergibt nicht viel Sinn«, sagte ich.
    »Natürlich ergibt’s nicht viel Sinn«,
erwiderte Urilla. »Sie ist geisteskrank.«
    Der Rest der Fahrt verging damit, daß Lilit sämtliche
schmutzigen Witze wiederholte, die sie an diesem Nachmittag von dem
verrückten Komödianten gehört hatte. Ich war zu sehr
in Gedanken, um Verlegenheit, Ärger, Entrüstung oder eine
der anderen Reaktionen zu zeigen, die sie von mir erwartete.
    Ein Schatz, ein großes Werk; das war alles, woran ich denken
konnte.
    Wir hatten kaum einen Fuß in die Wohnung gesetzt, da kam
Iggi schon mit der Nachricht angeschossen, daß er soeben eine
Vidiphon-Botschaft aufgezeichnet hatte.
    GRÜSSE AUS DER STADT GANZIR. Iggis Wiedergabe von Jonnie
Rondo war unheimlich akkurat.
    DIESES ZEPHAPFEL-FESTIVAL IST STINKLANGWEILIG, ABER ES KANN SEIN,
DASS ICH EURE FRUCHT GEFUNDEN HABE. SIE KOMMT FRISCH AUS DEM
SABIK-HYDRASTEROIDENGÜRTEL, WO IMMER DER SEIN MAG.
    PROBLEM: JEMAND HAT SIE SCHON GEKAUFT. HABT IHR SCHON MAL WAS VON
EINEM ALPTRINKER NAMENS BAPTIZER BROWN GEHÖRT? DIE BRUDERSCHAFT
DES ABGRUNDS – DAS IST SEINE SEKTE. EIN ÜBLER HAUFEN. ER
WAR MAL PIRAT – BROWN, DER SCHRECKEN DES WELTRAUMS –, ABER
DANN HAT ER SICH GEBESSERT UND IST DAZU ÜBERGEGANGEN, HIRNEIER
ZU SCHMUGGELN. DU WIRST HIERHER KOMMEN MÜSSEN, QUINJIN. IST KEIN
VERGNÜGEN, MIT DEM BURSCHEN ZU TUN ZU HABEN. ÜBRIGENS WAR
ICH HEUTE BEI EINER PODIUMSDISKUSSION ÜBER DEN STAND DER
TRAUMKRITIK. DEIN NAME IST ZWEIMAL GEFALLEN. WUSSTEST DU, DASS MAN
DICH FÜR UNBERECHENBAR HÄLT?

 
5

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Geheimnisse
des sechsten
Magens

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    Ich war seit über drei Jahren nicht mehr bei einem
Zephapfel-Festival gewesen, aber als unsere sonderbare kleine Gruppe
den Teleporthafen verließ und das Hotel Anshar betrat, wurde
mir klar, daß sich an diesen Zusammenkünften nichts
Wesentliches geändert hatte, weder die bemühte
Frivolität noch die grinsende Verzweiflung.
    Ein Pirat lief durch das belebte Foyer. Schwarze Augenklappe.
Rotes Halstuch. Noch röteres Hemd. Weste aus Eidechsenschuppen.
Ein Cyberschwert an der Seite. Ich fragte mich, ob das vielleicht
Baptizer Brown war. Aber dann fiel mir wieder ein, daß die
Teilnehmer der Zephapfel-Festivals sich gern wie die Helden ihrer
Lieblingsträume kleideten und so herumliefen, und ich begriff,
daß wir einen Freibeuter aus Unbekannte Parseks vor uns
hatten. Ich ließ den Blick durch die Manege schweifen. In der
Nähe des Fahrstuhls wedelte das Hundegeschöpf aus Wauwau
schafft es mit seinen beiden Schwänzen. Mitten auf der
Haupttreppe bot sich die Hure, die in Hydraulische Nächte fromm geworden war, dem bemitleidenswerten Preisboxer Dandy
Feuermelder an. An der Rezeption lehnte Prinz Bizbac aus dem Schwefelschloß auf seinem Drachenschild. Ich
wußte, daß ein paar dieser Figuren verkleidete Alptrinker
waren; die gehetzten, verstohlenen Blicke und der starke,
moschusartige Geruch waren nicht zu verkennen. Aber die meisten waren
reine Fans. Ihre latschige Haltung und die trübsinnigen Mienen
sprachen von einem Leben, in dem eine Leere herrschte, die nahezu
pausenlose Gegenmaßnahmen in den Psychosalons erforderte.
    Fiberfolienanzüge und vierzehnkarätige Zigarrenspitzen
kennzeichneten das nächste Kontingent, die Businessfraktion der
Kunst, eine Hierarchie, die sich von den Salonbesitzern über die
Marketingstrategen und Vertriebskalifen bis zu den Züchtern
selbst erstreckte, jenen nur auf Profit bedachten Förderern, die
den Traumwebern die Studiozeit bezahlten und dafür nichts weiter
verlangten als das Recht, die daraus hervorgehenden Sämlinge zu
züchten und neunzig Prozent der Ernteerlöse zu behalten.
Und dann gab es da schließlich noch diejenigen, deren modische
Pullover geradezu eine Uniform waren und die allesamt so sensible
Augen hatten, daß diese schon wie eine Maske wirkten, die
Leute, die ich als Seele des Mediums bezeichnen würde: die
Traumweber natürlich, und die Webbuchschreiber. Zu ihnen
gehörten in meinen Augen auch die Werbeleute (obwohl sie weder
Pullover trugen noch feuchte Augen hatten), die beim Publikum den
Hunger auf die Kapseln wachhielten, und – jawohl – die
Kritiker, die das gleiche Publikum vergeblich bedrängten, die
faulen Früchte zu boykottieren und nach den guten

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