Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
jetzt nach Westen in Richtung der CPR-Station rannte. Sollte er nach rechts abbiegen, würde er der Hafenpolizei in die Hände laufen.
Bis Rick Scarlett wieder zu Atem gekommen war und sich auf ein Knie hochgekämpft hatte, war Spann an dem zweiten Zug emporgeklettert und hatte sich auf der anderen Seite wieder herunterfallen lassen. Sie rannte jetzt quer über eine alte kopfsteingepflasterte Straße zu einem meterhohen Kieshaufen, der die Straße ein Stück weit säumte. Als sie auf der Böschung stand, ragten vor ihr die Gipfel der North Shore Mountains auf. Sie waren von Wolken verhangen und der Regen durchlöcherte die unruhigen violetten Wellen darunter. Sie bog nach links und rannte auf die Bürogebäude des Stadtzentrums zu, die nicht ganz einen Kilometer entfernt aufragten. Der leichtfüßige Indianer hatte bereits die Hälfte der Strecke dorthin hinter sich gebracht.
Spann trat die Verfolgung an.
Der Fahrer der CPR-Lok war leicht überrascht, als plötzlich Rick Scarlett in seine Fahrerkabine platzte. Wenn die Uniform nicht gewesen wäre, hätte er vermutlich nach einem Schraubenschlüssel gegriffen. Milt Molesworth kam bereits in die Jahre, hatte aber immer noch ein Gedächtnis wie ein Elefant. In den 50er-Jahren hatte er dieselbe Situation, die er jetzt erlebte, im Fernsehen in der Serie Follow That Man gesehen. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn dieser Mountie in der zerfetzten Uniform jetzt den rechten Arm ausgestreckt und eben diese Worte gebrüllt hätte.
Scarlett enttäuschte ihn.
»Los schon! Schnell!«, schrie der bloß und zeigte auf die Station.
Molesworth antwortete: »Sie sind der Boss!«, und griff nach dem Fahrthebel. Wenn man 35 Jahre lang Waggons rangiert hat, war es nett, wenn sich einmal etwas tat.
Mit einem Ruck setzte sich die Lokomotive nach vorwärts in Bewegung.
Während die Diesellok parallel zu dem stehenden Zug auf der Rechten dahinfuhr, reckte Scarlett den Hals, um zwischen die einzelnen Waggons sehen zu können. Einmal sah er Katherine Spann mit heftig auf und ab pumpenden Armen rennen. Durch eine andere Lücke sah er Schlepper aus dem Hafen tuckern, während der Seabus ans Dock hereinfuhr. An einem dritten Punkt erhaschte er einen Blick auf den Indianer, der wie wild an einer Tür zerrte. Die Tür befand sich in der untersten Etage des Seabus-Terminals, und sie war offensichtlich versperrt.
»Halten Sie dieses Ding an!«, befahl Scarlett, als der Indianer wieder zu rennen anfing.
»Sie sind der Boss«, sagte Milt und bremste.
Mit einem heftigen Ruck und gleich darauf lautem Zischen blieb die Lok stehen.
Scarlett sprang herunter und nahm die Verfolgung auf. Als er um das westliche Ende des stehenden Zugs rannte, peitschten ihm Wind und Regen ins Gesicht. Katherine Spann schoss vor ihm vorbei. Zu seiner Linken rannte der Indianer die Rampe hinauf, die zur Burrard Street hinaufführte und weiter zum Marine Building und dem eleganten Vancouver Club. Ein Mann am Fenster des Clubs starrte mit verblüffter Miene nach draußen, während er seinen Beefeater Gin nippte.
Gerade als Spann im Begriff war, den Flüchtigen zu packen, warf der sich in eine Öffnung unter der Rampe, wo ein paar offenbar als Stützen dienende Holzsäulen aus dem Wasser ragten.
Als Scarlett angerannt kam, schickte sich der Indianer an, an einem Querbalken entlangzurutschen, der mit Teer beschmiert war.
»Verdammt!«, schimpfte Spann, als sie ins Leere griff. Dann kroch sie hinter ihm her.
Unter der Rampe war es dunkel. Sie befand sich in einem düsteren, engen Raum, in den aus Löchern im Asphalt darüber Wasser tropfte und wo die See zornig gegen die mit Entenmuscheln überkrusteten alten Balken schwappte. Es stank nach verfaultem Fisch und Meersalz und Teeröl, das die Gischt aufgepeitscht hatte. Auf einigen Querbalken interessierten sich Ratten schnüffelnd für die Eindringlinge und starrten sie aus roten Augen an. Sowohl der Indianer wie auch Katherine Spann schoben sich langsam, Zentimeter für Zentimeter, nach vorne. Der Abstand zwischen ihnen betrug reichliche zwei Meter.
Vor dem Flüchtling gab es eine zweite Öffnung. Durch sie konnte er den Pier sehen, der in die See hinausragte. Diese Öffnung, und mit ihr die Freiheit, war nur noch eineinhalb Meter entfernt. Dann noch einen Meter zwanzig, dann 90 Zentimeter, schließlich einen halben Meter. Und dann sprang Rick Scarlett von der Rampe oben herunter, landete auf dem Pier und streckte seine rechte Hand durch die Öffnung.
»Polizei«,
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