Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
wie möglich nach Hause.«
Morgen ist doch dein Geburtstag, dachte DeClercqs Frau. Sie wandte sich zum Gehen, hielt aber dann inne und sah sich nach ihrem Mann um.
»Tust du mir einen Gefallen? Bitte«, sagte sie. »Setz dich selbst nicht zu sehr unter Druck.«
»Versprochen«, versicherte er ihr. Aber es klang nicht überzeugend. Genevieve blieb unter der Tür stehen, als ob sie noch etwas sagen wollte, aber am Ende ließ sie es bleiben und ging einfach hinaus. Ein paar Minuten später hörte er ihren Wagen wegfahren.
Wieder allein im Gewächshaus stand Robert DeClercq auf und lauschte dem auf das Glasdach trommelnden Regen. Wumm … Wumm … Wumm . Für ihn klang es wie der formelle Zapfenstreich, den man bei einem Begräbnis der RCMP hört. Er legte Blakes Enfield auf den Tisch, ging an die Tür des Gewächshauses und starrte auf die zornige See hinaus. Die ganze Welt dehnte sich düster und grau vor ihm.
Er dachte über den Inspector nach. Was für ein Mensch war Blake wirklich gewesen? Was hatte ihn getrieben? Niemand sonst in der Truppe hatte ein so seltsames Vermächtnis hinterlassen. In der formellen Geschichtsversion, derjenigen, die man in den Akten der RCMP finden konnte, war der Inspector nämlich schlicht und einfach der beste Detective, den die Mounted Police je hervorgebracht hatte. Niemand hatte je eine ähnlich hohe Quote für verblüffende Verhaftungen erzielt. Es hieß, die Art, wie er vor seinem Eintritt in die Truppe bei der Britischen Armee gekämpft hatte, sei atemberaubend gewesen. Der Mann hatte so etwas wie Angst buchstäblich nicht gekannt. Die Queen selbst hatte ihn für das Victoriakreuz vorgeschlagen.
Trotzdem hatte es Gerüchte gegeben ...
Als DeClercq für Männer, die die Uniform trugen recherchiert hatte, hatte er mit sämtlichen Veteranen gesprochen, die aus jenen frühen Tagen der Truppe noch am Leben waren. Eine Anzahl von ihnen ging noch auf die fernen Tage der Royal Northwest Mounted Police zurück.
Offiziell hatte Wilfred Blake sich schon kurz nach seinem Eintritt in die Truppe mehr als alle anderen als erstklassiger Problemlöser hervorgetan. Seine Fähigkeiten im Spurenlesen waren legendär, es hieß, er habe sie sowohl im Fernen Osten wie auch von den nordamerikanischen Indianern gelernt. Wenn eine Aufgabe unmöglich erschien, hatte man sie Blake zugeteilt. Denn er hatte es irgendwie immer geschafft, mit dem Gesuchten zurückzukommen.
Die Gerüchte waren deshalb aufgekommen, weil er so viele tot zurückgebracht hatte.
Einige der Befragten waren der Ansicht, Commissioner Herchmer habe die Methoden des Inspectors für übertrieben gehalten. Das sei der Grund dafür gewesen, dass Wilfred Blake nie befördert worden war. Andere meinten, das sei nur deshalb so gewesen, weil der Inspector seine Position genoss. Blake war einfach nicht der Mann, der je die Jagd aufgeben wollte. Er lehnte die Beförderung ab, um ausschließlich im Außeneinsatz bleiben zu können.
Was auch immer an diesen Gerüchten zutraf, DeClercq erfuhr bald, dass sie nicht über Kantinengespräche hinausgingen, denn die offizielle Dienstakte des Inspectors wies keinen einzigen Makel auf. Eine Belobigung folgte der anderen, in ungebrochener Reihenfolge. Am überraschendsten war vielleicht, dass Wilfred Blake gegen Ende seiner Amtszeit praktisch jedes Jahr elf Monate draußen ganz allein verbrachte. Er nahm nie einen Partner.
Die Obrigkeit in der Truppe schrieb das seinem besonderen Pflichtbewusstsein zu.
Pflichtbewusstsein, dachte DeClercq jetzt. Was würde Wilfred Blake tun, wenn er jetzt hier und mit dem Headhunter befasst wäre? Er würde tun, was auch immer notwendig war. Genauso wie du es tun wirst.
DeClercq wandte sich von der Tür ab und griff erneut nach dem Revolver. Er konnte die Rostflecke darauf sehen, Spuren der Zeit, die die Waffe im Schnee verbracht hatte.
Ja, du würdest tun, was du tun musst, dachte er und setzte sich wieder an den Tisch.
Inspector Chan hatte seine computergestützte Liste von Sexualtätern fertiggestellt und das von Dr. Ruryk erstellte psychologische Profil eingegeben. Die Liste enthielt jeden Triebtäter in der Provinz, der in den letzten 30 Jahren auffällig geworden war. Eine zweite Namensliste enthielt die aus dem Rest des Landes.
Morgen würde die Headhunter Squad auf den Straßen mit der Rasterfahndung nach diesen Tätern beginnen. Jeder Einzelne, den sie fanden, würde entweder sofort befragt oder zum Verhör festgenommen werden. Die alte Strafanstalt von
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