Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
tranken. Ganz hinten, auf dem untersten Regalbrett, stand eine Flasche Camus Napoléon Cognac. Er nahm die Flasche heraus, fand einen Schwenker und ging dann hinunter ans Meer.
Mit dem Cognacschwenker in der Hand saß er da und dachte an seine Tochter.
15:35 Uhr
»Immer noch nichts?«, fragte Scarlett.
»Nichts«, sagte Tipple.
Der Lieferwagen war so geparkt, dass man seine Hecktüren von dem einen halben Häuserblock entfernten Aufnahmestudio aus nicht sehen konnte. Scarlett war aus einer Seitenstraße gekommen, die in die 12th Avenue mündete. Als er in das Fahrzeug stieg, sah er Katherine Spann auf einer Liege hinter dem Fahrersitz schlafen.
»Was gibt’s Neues von Rackstraw?«, erkundigte er sich.
In dem Augenblick trat ein hochgewachsener, etwa 30-jähriger Schwarzer aus der Eingangstür des Studios. Tipple nahm ein Fernglas vom Armaturenbrett. Er konnte sehen, wie der Mann vor dem Gebäude auf dem Bürgersteig stehen blieb, den Zeigefinger an sein linkes Nasenloch hielt, um ein paarmal hintereinander scharf einzuatmen. Dann ging er zu einer blauen Corvette, stieg ein und fuhr weg.
»Die waren die ganze Nacht und dann noch den halben Tag dort drinnen und haben Aufnahmen gemacht. Den Lärm hättest du hören sollen«, sagte der Corporal.
»Wer ist jetzt drin?«
»Bloß Rackstraw, vermute ich.« Tipple drückte einen Knopf und legte dann einen Schalter um. Ein Lautsprecher im Lieferwagen erwachte zum Leben und Spann regte sich auf ihrer Pritsche. Sie konnten jemanden vor sich hin summen hören.
»Wie sendet denn die Wanze?«, fragte Scarlett.
»Funkverbindung. Alle Wanzen im Raum speisen einen kleinen Sender, der an der linken Seite des Gebäudes unter einem immergrünen Busch vergraben ist. Der Dachvorsprung schützt ihn vor dem Regen.«
Während er das sagte, hatte es plötzlich in Strömen zu regnen begonnen. Die Tropfen prasselten immer lauter auf das Dach des Lieferwagens. Wasser floss in kleinen Rinnsalen, dann in Strömen und schließlich im breiten Fluss über den Asphalt der 12th Avenue.
»Warum gehst du nicht nach Hause und schläfst ein wenig, Bill?«, schlug Scarlett vor. »Ich halte für dich die Stellung.«
Tipple nickte. »Sag mir Bescheid, wenn etwas Wichtiges passiert. Wenn es ernst wird, möchte ich unbedingt dabei sein.«
»Aber sicher«, versprach Scarlett, und der Corporal ging nach hinten. Er öffnete die Hecktür des Lieferwagens und sprang auf die Straße.
16:45 Uhr
»Dieser Scheißlärm«, sagte Rick Scarlett.
Er zog seine Smith & Wesson .38 aus dem Holster, klappte die Trommel heraus und vergewisserte sich, dass alle Kammern geladen waren und der Abzug funktionierte, und klappte die Trommel dann wieder ein. Sie saßen jetzt beide vorne im Lieferwagen.
»Was drückt dich denn?«, fragte Katherine Spann.
»Ich mag nicht sinnlos herumtrödeln. Und ich mag es nicht, wenn man mich verarscht.«
»Dann spuck’s aus«, sagte sie.
»Hör zu, ich weiß, dass Hardy der Headhunter ist, und du weißt das auch. Rackstraw weiß, wo er ist. Und trotzdem könnte Hardy, während wir hier rumsitzen und Däumchen drehen und darauf warten, dass Rackstraw uns zu ihm führt, in diesem Augenblick dort draußen irgendwo jemand den Kopf abschneiden. Okay, ich hab mich von dir überreden lassen und wir haben uns mit Tipple zusammengetan. Aber jetzt werde ich das auf meine Tour spielen.«
»Und das heißt?«
»Das heißt, dass ich diesen Motherfucker zum Reden bringen werde.«
»Oh, oh«, sagte Spann. »Das könnte beruflicher Selbstmord sein.«
»Hardy hat uns verarscht. Rackstraw hat uns verarscht. Wentworth hat uns verarscht. Mir reicht es jetzt einfach.«
»Rick, wir sind beide frustriert, aber du weißt doch, was Chartrand gesagt hat? Was du da vorschlägst, könnte uns beide den Job kosten. Und uns darüber hinaus ein Anklageverfahren eintragen.«
»Wenn du die Hitze nicht verträgst, Kollegin, dann bleib aus der Küche raus. Bleib du hier.«
Scarlett stieg in den Regen hinaus und setzte dazu an, die Straße zu überqueren.
Katherine Spann folgte ihm.
16:48 Uhr
Genevieve hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, als ihr das Seminar einfiel. Sie ging an das Telefon im Wohnzimmer und wählte die Nummer des Studenten, bei dem es stattfinden sollte. Niemand zu Hause.
Ein paar Stunden früher hatte Genevieve DeClercq beschlossen, die Veranstaltung am Abend abzusagen und die Zeit mit ihrem Mann zu verbringen. Todmüde von der schlaflos verbrachten Nacht hatte sie dennoch den
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