Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
erwiderte der junge Mann.
»Ah, Geschichte«, sagte Prof. »Ein Sherlock Holmes der Vergangenheit.«
»Nun, Geschichte ist eigentlich erst der Anfang. Ich möchte mal Archäologe werden.«
»Archäologe! Aber, aber!«, meinte der Prof verschmitzt und schielte zu Slim hinüber. »Und du hast geglaubt, er langweilt sich bei seiner Arbeit. Als ob es einen besseren Job gäbe, um schon ein wenig im künftigen Beruf zu üben?«
Slim schüttelte betrübt den Kopf, ärgerte sich über seine eigene Dummheit und fischte ein Päckchen Zigarettenpapier aus der Tasche seines Overalls. Der Prof nahm einen Schluck aus seinem Flachmann. »Langweilst du dich, Junge?«, fragte er und sah den jungen Mann dabei an. »Glaubst du, dieser Job ist unter deiner Würde? Siehst du das so?«
Jeff blinzelte. »Nein, nein, natürlich nicht«, sagte er.
»Das will ich hoffen. Wenn du das nämlich glaubst, dann ist es Zeit, dass du erwachsen wirst und die Augen aufmachst. Ich mag es nicht, wenn jemand auf einen anderen wegen seiner Arbeit runterblickt. Und am allerwenigsten mag ich arrogante Schnösel, die sich für besser als alle anderen halten. Jeder Job kann einem etwas über das Leben beibringen. Und dieser hier mehr als die meisten anderen.«
Slim fing an, etwas Tabak auf das Zigarettenpapier zu verteilen. »Der Prof sagt, dass keiner ’n Stück Scheiße wert ist, wenn er sich einbildet, dass er sich zu fein ist, all den Müll in der Welt um ihn herum aufzusammeln. Du solltest auf den Prof hören, Junge. Der Mann ist rumgekommen. Die erste Autorität der ganzen Welt, wenn’s auf mich ankommt, zum Thema Frauen, Schnaps und Leben.«
Slim rollte sich mit einer Hand eine perfekte Zigarette. Er leckte den Gummistreifen ab, klebte ihn zu und steckte sich den Glimmstängel in den Mund.
Was ist das denn, dachte Jeff. Ein Straßenvarieté? Aber er behielt den Gedanken für sich.
»Archäologe also?«, sagte der Prof und ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. »Das sind die Typen, die im Boden rumwühlen und sich den Müll vergangener Zivilisationen anschauen, um rauszukriegen, wie die gelebt haben. Um sich eine Vorstellung zu machen, wer die wirklich waren. So etwas Ähnliches wie ein akademischer Müllmann. Habe ich das richtig kapiert, Jungchen?«
»Ja, irgendwie schon«, nickte Jeff.
Slim riss am Reißverschluss seiner Jeans ein Streichholz an und blies eine graue Rauchwolke aus. »Der Prof sagt, dass Müll das echte Spiegelbild des Lebens ist.«
»Ah, Müll! «, sagte der Prof weise und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Flachmann.
»Hast du je mal einen Tag freigehabt, Jeff, und nichts zu tun? Ich habe das. Eine ganze Menge Tage, seit meine Frau abgehauen ist. Zuerst wusste ich nichts mit mir anzufangen – und dann ist mir diese Idee gekommen. Ein Experiment, sozusagen. Ich hab mich in Schale geworfen, ich meine mit Hemd und Krawatte und so, und bin meine Müllroute abgegangen. Nur diesmal, Junge, bin ich auf der Vorderseite der Straße gegangen. Und das habe ich seitdem immer einmal im Monat getan, bin einfach ganz langsam vorbeigegangen und hab mir angesehen, was die Leute für ’ne Fassade vor sich errichtet haben, die Masken, die sie tragen, wenn du weißt, was ich meine. Denn irgendwann einmal werden ihre Masken so dauerhaft, dass sie glauben, dass sie das wirklich sind. Ich geh vorbei und schau den Leuten in die Fenster. Höre zu, wenn sie mit ihren Nachbarn plaudern. Und dann habe ich mit der Zeit angefangen, mir den Müll, der hinten rauskam, etwas näher anzusehen.«
»Wir schneiden bei jeder Tour ein oder zwei Müllsäcke auf«, sagte Slim. »Der Prof sagt, der Abfall eines Menschen ist der wahre Spiegel seines Lebens.« Er blies eine weitere dicke Wolke grauen Rauch aus.
»Du siehst also, Jeff«, sagte der Prof und stand auf und streckte sich, »warum nicht diesen Job dazu benutzen, um ein wenig mehr über das Leben zu erfahren? Komm schon, ich zeig dir, was ich meine.«
Der Prof ging die Gasse hinunter und blieb vor einem hölzernen Verschlag mit zwei Mülltonnen stehen. Er griff in die Tasche seines Overalls, zog ein Schweizer Armeemesser heraus und klappte eine der Klingen auf. Während Slim und Jeff neben ihn traten, nahm er den Deckel von einer der Tonnen und schlitzte den schwarzen Plastikbeutel ganz oben auf. Dann weitete er den Schlitz mit beiden Händen aus.
»Also, Junge«, fragte der Prof. »Was siehst du?«
Jeff sah in den Müllbeutel und begann den Inhalt aufzulisten und fing damit ganz oben
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