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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sehen, du dickes Mensch, wie de zurechtkommst.«
    Marie zog die Beine an und legte sich krumm.
    Sie war noch nicht müd genug, doch so hatte das Geschimpfe ein Ende. Die Dämmerung lag ihr auf dem Herzen, die nach sechs Wochen noch immer ungewohnte dörfliche Abendlangweile. Doch um zu trauern, dafür fühlte sie sich zu gut aufgehoben in ihrem Körper, der bisher alles spurlos überstanden hatte: Schläge, harte Arbeit, die Umarmungen von drei, vier städtischen Liebhabern, die Griffe des kleinen, schmierigen Arztes (den Namen hatte ihre Vorgängerin vorsorglich auf die getünchte Wand der Mädchenkammer geschrieben). Die scharfen Kanten des eckigen, engen Sofas machten ihr nicht das geringste aus, doch jetzt genügte ein wildes Hoho draußen auf der Dorfgasse, das Quietschen einer Ziehharmonika, um ihre Knie locker zu machen, während sie ruhig einschlief.
IV
    Der alte Algeier durchquerte das Dorf, seinen Sohn ein Stück hinter sich. Er kam durch die Länge seiner Schritte sehr schnell vorwärts. Nach ungefähr zehn Häusern erweiterte sich die Gasse und ließ Aussicht zwischen zwei Höfen auf das flache, nach dem entfernten Fluß schwach abfallende Land. Rechts vom Fluß her kam ein breiter Feldweg bis ins Dorf hinein, gesäumt von Gras, Brennesselund Löwenzahn. Eigentlich war es kein Platz, auf den man die Linde gepflanzt hatte, nur eine Erweiterung der Gasse. Die Häuser fanden sich auch gleich wieder zusammen, in zwei regelmäßigen Reihen, die das Dorf zu einem schnellen Ende brachten. Trotzdem war der Stecken mit dem grünen Baumkegel die Achse, um die sich das Leben auf und ab spulte. Der Wirt hatte Ärger mit dem Tüncher gehabt, denn die Wand hatte gelb werden sollen und war durch falsche Mischung orange geworden. Er kelterte dünne, rauschige Obstweine, die in der Umgegend bekannt waren. Gäste waren die Gier seines Lebens. Über dem Schild wehte heute eine schwarzweißrote Fahne und eine mit Hakenkreuz. Der Brauereifahrer hatte versprochen, auf dem Rückweg mit seinen Kameraden einzukehren. Er hätte auch einen Halbmond gepflanzt, wenn es in Oberweilerbach Türken gegeben hätte.
    In der Wirtsstube war es voll. Keiner von den Bauern, die heute abend hier saßen, war gestern in der Stadt gewesen. Sie hatten keine Söhne dabeigehabt, sie hatten keinen triftigen Anlaß gehabt, drei Stunden zu Fuß zu gehen oder sich vor aller Augen auf einem Lastauto durchrütteln zu lassen.
    Die Gaststube war ursprünglich ein geräumiges Wohnzimmer gewesen. Sein Grundgefüge war geblieben, nützlich für Gäste wie für ständige Bewohner. Um den runden Tisch war eine Holzbank gezimmert. Im Glasaufsatz der Kommode standen rote und grünliche Flaschen, zwischen den Fenstern hing ein gerahmter Hindenburg. Im freien Mittelraum waren ein paar Tische und Stühle geschickt aufgestellt. Auf dem Sofa saßen Konrad Bastian und Michael Merz. Merz hatte einen wuchtigen Bart und dicke Brauen. Sein Mund, seine Augen und seine Nase waren zu klein und eng beieinander. Er war der einzige Mann am Ort, der zwei Pferde hielt. Er hatte zwei erwachsene Kinder, Sohn und Tochter. Konrad Bastian, der ältere Bruder des Andreas Bastian, war diesem sehrähnlich. Er hatte gleichfalls die Gewohnheit, sein graues Bärtchen zwischen Daumen und Zeigefinger zu zwirbeln. In seiner Haltung und Kleidung lag der Geruch des Mannes, der ein Haus, Land und Vieh besitzt. Er hatte auch nur zwei Kinder, eine Tochter von sechzehn Jahren, blaß und dünnknochig, ähnlich der Dora Bastian, und einen kleinen Buben. Er war in großen Steuerrückständen. Er fürchtete insgeheim, ein Ereignis könnte eintreten, das ihn von dem Platz auf dem Sofa neben dem alten Merz wegdrängte hinüber auf die äußere Eckbank. Bastian und Merz hatten ein Bier vor sich, außerdem einen Teller mit Salzstangen.
    An den Mitteltischen saßen ein paar Auswärtige. Sie kamen aus Niederweilerbach, einem Dorf zwischen Billingen und Oberweilerbach. Weil ihr Dorf am Fluß lag, waren sie offener und tranken leichter. Sie hatten Stachelbeerwein vor sich, Johannisbeerwein und vorjährigen sauren Apfelwein. An dem runden Tisch saßen acht oder zehn Bauern zwischen vierzig und sechzig Jahren. Von ihnen hatte keiner ein Pferd, keiner weniger als zwei Kühe und keiner mehr als fünf. Sie hatten Bier vor sich, fast alle hatten gleichviel abgetrunken. Einer der Auswärtigen sagte: »Dem Albrecht Lamprecht haben sie’s gestern gut gegeben. Der hat einen Stich weg, der ist im Spital in Billingen

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