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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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vor, daß er unter diesem Himmel lebte. Er ging ins Haus, er setzte sich nieder und dachte nach. Ihm fiel es ein, die Leute warteten jetzt vor der Tür seine Frau und seine Kinder ab, um zu sehen, welchen Eindruck die Nachricht auf sie machte. Er fluchte leise in seiner gewöhnlichen, in die Kehle verwürgten Sprache; es war kein wilder Fluch, sondern ein ruhiger, einer von denen, die wirklich die treffen, auf die sie gemünzt sind. Er sagte: »Ihr alle sollt verflucht sein!«
    Nach einer Weile kamen Algeiers Frau, Sohn und Tochter. Sie waren ein wenig verängstigt, weil man den Bauer heimgeholt hatte. Sie waren naß und kalt und hundsmüde. Sie erschraken, als sie die vielen Leute sahen. Die riefen ihnen sofort zu: »Man hat eure Zentrifuge weggetragen!« Marie fühlte eine Schuld. Sie runzelte die Stirn. Sie blickte niemand an. Ihr Gesicht war frech und dunkelrot.
    Drin im Haus zog sie der Bauer an die hinterste Wand. Sie flüsterten. Die Frau zischte auf Marie los: »Da siehste’s.« Als die Leute draußen keine Stimmen hörten und nicht einmal Licht anging, so daß man kein Gesicht unterscheiden konnte, merkten sie, daß sie im Regen standen, und gingen heim.
VI
    Als der junge Merz heimkam, saßen alle bis auf seinen Vater in der Küche beim Abendessen. Frau Merz sagte: »Der Herr Rifke is da. Er bringt dem Vater das Bienenbuch.«Der junge Merz sah schnell seine Schwester an, die nacheinander die Stirn runzelte und lächelte. Es fiel ihm auf, daß sie ein gutes, städtisches Kleid anhatte. Sie war ein schönes Mädchen mit langsamen Bewegungen und herausgedrückter Brust. Aus den Mienen seiner Schwester, der Mutter und der Magd merkte der junge Merz, daß die lange geplante Angelegenheit heute ihren Abschluß erreichte. Er aß hastig und lief hinaus. Er stieß im Flur noch mit Herrn Rifke zusammen, dem Schullehrer, einem kleinen beweglichen Mann über vierzig Jahre, mit einem kurzen, schon grauen Spitzbart. Sie gaben sich die Hand und sahen sich kurz in die Augen mit einem schwachen Gefühl von Abneigung. Der alte Merz wollte zur Küche. Der Sohn schnitt ihm grob den Weg ab. »Halt mal, Vater. Laßt Euch mal sprechen.« Der Alte sah ihn starr an. Dann sagte er: »Na, komm rein.« Der junge Merz setzte sich auf den Stuhl, der noch warm war. Sie betrachteten einander, als sähen sie sich keineswegs Tag für Tag, Stunde für Stunde, sondern zum erstenmal richtig. Schließlich ließen sie voneinander ab mit einem Ausdruck von Geringschätzung. Der Junge begann widerwillig: »Ich muß da was mit Euch reden.« Der Alte runzelte die Stirn. Gleich würde der Sohn ihm mitteilen, daß er bei dem Kunkel eingetreten war. Die Wut stieg ihm. Gleich würde der Stuhl mitsamt dem Burschen knacken, in diesem Zimmer, das seine Amtsstube war.
    Der Sohn fuhr fort, gepreßt, mürrisch: »Ich hör, Ihr wollt die Schwester verheiraten; schnell, bald. Nun gut. Ich will nur sagen, ich will auch heiraten, auch bald, schnell. Gebt mir ’ne Frau.« Er hielt den Kopf gesenkt und sah ihn von unten an, mit bösem, sogar drohendem Blick. Der Alte betrachtete ihn mit vor Vergnügen funkelnden Augen, vollkommen erleichtert. Er rechnete nach, wieviel Zeit vergangen war seit dem Vorfall mit der Magd. Er hatte den Jungen gezwiebelt, gehörig knappgehalten. Die ganze Zeit hatte der Junge nie mehr allein mitihm gesprochen. Jetzt mußte er beigeben, jetzt lief ihm der Mund über. Er sagte, ein Lachen hinter der Stimme: »Hast’s ja eilig.« Der Sohn sah ihn offen an und erwiderte laut: »Ja.«
    Der Alte unterdrückte ein Lachen so schlecht, daß der Bart davon zuckte. »Bist ja scharf hinterher.«
    Der Junge machte eine Bewegung, als ob er seinen Vater beim Bart packen wollte, drückte aber nur die Finger in eine leere Faust zusammen. »Ich will keinen Tag später heiraten als die Schwester. Sucht sie aus, mir is egal, wie sie ist, wer sie ist, das geht mich nichts an. Sie soll da sein.« Dem alten Merz gelang es, sein Lachen völlig zu verschlucken. Er betrachtete den Sohn ernsthaft. »Du, hör mal, das ist nich mal Zwicken zwischen Tür und Angel, wie’s deine Fasson is, das is in ’nem eigenen Bett mit Federn, das is fürs ganze Leben.« Der Sohn hämmerte mit der Faust aufs Knie, sein Gesicht blieb finster, fast drohend. In diesem unerträglichen Augenblick erschien es ihm ein Spott, ihm vom ganzen Leben zu sprechen. Der alte Merz betrachtete ihn, mit den Augen lächelnd, und sagte: »Laß doch mal nachdenken. Daß deine Schwester den Rifke

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